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Sollen meine Mitarbeiter:innen zurück ins Büro? Und wenn ja, wie viele?

Sollen meine Mitarbeiter:innen zurück ins Büro? Und wenn ja, wie viele?

  • Das Büro soll auf mythische Weise soziale Nähe, Innovation und Gleichheit fördern.
  • Im Büro wie im Homeoffice gilt: Gute Prozesse führen zu guten Ergebnissen.
  • Um dezentrales Arbeiten erfolgreich zu gestalten, müssen Unternehmen ihre Prozesse anpassen.

Per Zeitungsinterview bittet Telekom-Chef Timotheus Höttges seine Mitarbeiter:innen: „Kommt zurück in die Büros!“ Er ist damit nicht alleine und zeigt, dass Unternehmen in den Pandemiejahren viel in neue Technik investiert haben, aber nicht die Skills und Prozesse entwickelt haben, um in einer hybriden Arbeitswelt erfolgreich zu sein. Das rächt sich, weil immer mehr Arbeitnehmer:innen mobiles Arbeiten nicht als Privileg sehen, sondern als Standard.

Einsam im Homeoffice?

Das meint Höttges:

Der persönliche Austausch bleibt auf der Strecke: In einer gesunden Unternehmenskultur ist der tägliche Austausch mit Kolleg:innen eine Bereicherung. Manchmal ist er ein Störfaktor („Hast du kurz mal ‘ne Minute?“). In einer toxischen Unternehmenskultur dagenen ist der persönliche Austausch eine psychische Belastung.

Ohne Zweifel ist persönlicher Austausch für bestimmte Aktivitäten wichtig, etwa für den Aufbau von Vertrauen. In seinem Buch „The Culture Code“ beschreibt Daniel Coyle, dass Vertrauen vor allem durch eine bestimmte Form des Austauschs, entsteht, nämlich die Wahrnehmung gegenseitiger Verwundbarkeit („vulnerability loop“).

Das Büro ist für diese Art des persönlichen Austauschs allerdings nicht notwendigerweise die beste Umgebung. Vertrauen entsteht nicht automatisch, weil man fünfmal die Woche mit denselben Menschen in die Kantine geht, sondern duch das Kuratieren von gemeinsamen Erlebnissen.

Fun fact: Studien zeigen, dass persönliche Interaktion in Großraumbüros um 70 Prozent sinkt.

Das Büro ist kein Ideenlabor

Kreativität geht verloren: Kreativität ist ein Prozess, kein Ort. Für mich verkörpert diese Erkenntnis niemand mehr als Gisbert Rühl, Geschäftsführer des Stahlhändlers Klöckner.

Wie viele andere Manager pilgerte Rühl in den 2010er Jahren ins Silivon Valley um etwas über disruptive Innovation zu lernen. Zurück in Deutschland merkte er schnell, dass er seine Erkenntnisse aus dem Valley nicht ohne weiteres in sein Unternehmen übertragen konnte: Die etablierten Prozesse standen Neuem im Weg und Rühl musste daher eine neue Organisationseinheit schaffen, mit neuen Prozessen, um Raum für Innovation zu schaffen.

Ein Relikt der Industrialisierung

Das Homeoffice ist ein Privileg: Ein Dienstwagen oder ein eigener Aufzug für den Vorstand ist ein Privileg, das Homeoffice ist ein Arbeitsplatz. Das Büro wie eir es kennen ist aus der Not geboren: White-Collar-Worker in den 1950er Jahren brauchten Büros, weil das Medium der Zeit – das Papier – nicht ohne großen Aufwand von A nach B gebracht werden konnte. Heute können die meisten Tätigkeiten dezentral erledigt werden. Nachweislich ist das Homeoffice für viele Tätigkeiten sogar produktiver.


Also: Sollen meine Mitarbeiter:innen zurück ins Büro? Und wenn ja, wie viele? In der öffentlichen Debatte ensteht manchmal der Eindruck, das Büro sei ein magischer Ort, in dem auf wundersame Weise Kultur und Innovation geschaffen werden.

Aber wer schon einmal „Stromberg“ oder „The IT Crowd“ gesehen hat weiß: Das ist nicht so. Eine gesunde Unternehmenskultur und Innovation sind das Ergebnis eines komplexen Prozesses und nicht das Beiprodukt, wenn man vierzig Jahre lang acht Stunden am Tag neben denselben Menschen sitzt.

Nicht wo wir arbeiten – wie wir arbeiten ist entscheidend

Wir sollten uns also nicht (nur) darüber unterhalten, wo wir arbeiten, sondern vor allem darüber, wie wir arbeiten. Denn nichts ist frustierender, als dem Ruf ins Büro zu folgen und dort auch nur in Videokonferenzen zu sitzen, weil die anderen Kolleg:innen an diesem Tag im Homeoffice sind.

Teams sollten sich gemeinsam auf einen (oder mehrere Tage) im Büro einigen und diesen Team-Tag dann bewusst für kollaborative und soziale Aktivitäten zu nutzen („Maker-Tage“) anstatt für operatives Geschäft („Manager-Tage“).

Bei Dropbox haben wir sogenannte „Core-Collaboration-Hours“ geschaffen – das sind bestimmte Zeiten am Tag, an denen wir synchrones Arbeiten wie Videokonferenzen priorisieren, damit der Rest des Tages nach Möglichkeit weitgehend frei von Meetings ist und für konzentriertes Arbeiten genutzt werden kann.

Auf den ersten Blick scheint es, als würde dezentrales Arbeiten mehr Koordination benötigen als klassische Büroarbeit. Und in der Tat: Neue Arbeitsprozesse müssen gelernt, verbessert und gepflegt werden, bis sie sich natürlich anfühlen.

Jedes Unternehmen muss seinen eigenen Weg in der hybriden Arbeitswelt finden: Eine Blaupause gibt es – anders als in der Zeit der industriell organisierten Wissensarbeit – nicht. Aber Manager sollten das Homeoffice nicht fürchten, sondern begrüßen – es ist nämlich auch eine organisatorische Herausforderung, und das ist ja genau das, was Management lösen kann.

In seinem exzellenten Essay über mobiles Arbeiten listet der Journalist Derek Thompson die größten Herausforderungen in Zusammenhang mit Mobiler Arbeit auf (die „employee experience“, abteilungsübergreifendes Arbeiten und Innovation) und vergleicht sie mit Studien, die zeigen, dass die Innovativsten Aufsätze in wissenschaftlichen Zeitschriften inzwischen überwiegend von dezentral organisierten Teams geschrieben werden.

Seine Schlussfolgerung: „Wenn Wissenschaftler erfolgreich dezentral arbeiten können, können Unternehmen das auch. Aber sie müssen dafür vielleicht eine völlig neue Position schaffen: das mittlere Management für die post-pandemische Zeit.“

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