Auf dem Capitol Hill und in Whitehall ist das Buch “Nudge – wie man kluge Entscheidungen anstößt” (Amazon-Link) der “Talk of Town” gewesen, und inzwischen ist auch eine deutsche Übersetzung des Werks von Richard H. Thaler und Cass R. Sunstein (Foto) erschienen, die derzeit in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vorab gedruckt wird.
Die Denkschule, die Thaler und Sunstein vertreten, gewinnt auch in Deutschland immer mehr Anhänger. “Libertarian Paternalism” basiert auf dem politischen (Fast-) Konsens, dass viele Gebiete der persönlichen Daseinsvorsorge – Bildung, Rente, Wohnen etc. – am effektivsten durch Märkte bedient werden können. Zugleich räumen libertäre Paternalisten ein, dass Märkte in genau diesen Bereichen häufiger zu Fehlentwicklungen führen als etwa bei der Versorgung der Bevölkerung mit Waschmittel. Märkte, so die Autoren, seien keine neutralen Mechanismen, sie nutzen die Irrationalität von Konsumenten aus. Und diese seien eben keine ökonomischen Rationalisten, sondern – naja, Menschen, die oft schlechte Entscheidungen fällen, weil sie unzureichend informiert sind, intellektuell überfordert oder schlicht langfristige Nachteile für kurzfristige Vorteile oder Genüsse in Kauf nehmen.
Für Thaler und Sunstein ist “Nudge” die Antwort auf dieses Problem: kleine “Anstöße” (engl. nudge), durch die die Bürger in die Lage versetzt werden, aus der Vielzahl der Angebote das Beste zu wählen. Politiker und Beamte müssen somit so “choice architects” werden und durch ein cleveres Anleiten der Menschen “gute” Entscheidungen forcieren. Das hört sich manipulativer an, als es in Wirklichkeit ist und in ihrem Buch geben Thaler und Sunstein eine Vielzahl von Beispielen, wie solche Lösungen für verschiedene Politikfelder aussehen könnten.
Oft hilft es, lediglich die “Standard-Option” zu wechseln. Beispiel Altersvorsorge: anstatt Angestellten die Möglichkeit einer Teilnahme in einer betrieblichen Altersvorsorge zu geben, sollte diese standardmäßig durch den Arbeitsvertrag vorgegeben sein und Angestellten solle statt dessen die Möglichkeit gegeben werden, aus diesem Programm auszusteigen.
Transparenz und Vergleichbarkeit kann ebenfalls zu positiven Verhaltensänderungen führen: anstatt Konsumenten einen Brief mit Energiespar-Informationen zu schicken hat eine amerikanische Firma leuchtende Knöpfe eingeführt, die rot leuchteten, wenn ein Haushalt viel Energie verbraucht und grün, wenn der Energieverbrauch moderat ist. Binnen Wochen konnte der Energieverbrauch um 40 Prozent reduziert werden.
Die Beispiele zeigen, dass signifikante Verhaltensänderungen oft durch kleine nudges erreicht werden können – und dass am Ende der einzelne Bürger wie auch die Gesellschaft als Ganzes profitieren. Diese Idee fand scheinbar auch US-Präsident Obama überzeugend und berief Cass R. Sunstein als “regulatory czar” in seine Regierung. Aber auch in Deutschland ließe sich vieles von diesem Ansatz übertragen.
Damit gehört “Nudge” in jedem Fall ins Sommerferiengepäck, und zum Glück haben Thaler und Sunstein nicht nur ein inhaltlich spannendes, sondern auch amüsant zu lesendes Buch geschrieben, dass auch am Strand gelesen werden kann.
Diese Rezension ist zuerst auf thinktankdirectory.org erschienen.