Die Provokationen der gegnerischen Elfmeterschützen durch den niederländischen Keeper Tim Krul im gestrigen Viertelfinale mögen unsportlich gewesen sein – in jedem Fall waren sie effektiv. Gestört durch Krul, der vor dem Schuß immer wieder an den Elfmeterpunkt kam und den Schützen ein paar Sätze zurief, verschoß Costa Rica zwei Elfmeter und verpasste so den Einzug ins Halbfinale.
Beim Elfmeterschießen machte sich Krul eine Erkenntnis aus der Entscheidungsforschung zunutze: Profis haben soviel Erfahrung in ihrem Fach, dass viele Entscheidungen intuitiv getroffen werden. Wenn sie zu viel über eine Entscheidung nachdenken, verschlechtert sich die Qualität des Ergebnisses oft. Bei Amateuren ist es umgekehrt: erhalten sie mehr Zeit für eine Entscheidung, verbessert sich das Ergebnis in der Regel.
Man kann dieses Wissen strategisch nutzen: wenn mein Gegner beim Tennis eine unhaltbare Vorhand spielt, hilft es, ihm beim Seitenwechsel ein beiläufiges “Du hast echt eine tolle Vorhand heute – wie machst du das bloß?” zuzuwerfen. Von nun an wird der Gegner bei jedem Schlag darüber nachdenken, wie er die Vorhand schlägt – und deswegen öfters danebenschlagen.
Auch aus dem Fussball kennen wir ein ähnliches Verhalten. Beim WM-Spiel Deutschland gegen Argentinien 2006 kam es ebenfalls zum Elfmeterschießen und Jens Lehmann nahm gut sichtbar vor jedem Schuss der Argentinier einen Zettel mit Elfmeterstatistiken der Schützen zur Hand. Die begannen nun, darüber nachzugrübeln, was wohl auf dem Zettel stand und wie sie darauf reagieren sollten. Am Ende gewann Deutschland 4:2.
Psychologie ist der 12. Mann auf dem Platz.
Update (6. Juni 2014): Inzwischen ist auch bekannt, was Krul Bryan Ruiz zugerufen hat: “Ich weiß, wohin du schießst.”
Mehr zum Thema in diesem Redetranskript des Psychologen Gerd Gigerenzer.
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