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Die besten Bücher 2007

Die besten Bücher 2007

2007 war das Jahr der deutschen Autoren, zumindest für Katharina Thiel, die zum zweiten Mal ihre Lieblingsbücher des Jahres vorstellt.

“Teil der Lösung” von Ulrich Peltzer

Ist das nun eher ein politischer Roman oder doch eine Liebesgeschichte? Es ist beides. Das politische Interesse ist Wegbereiter für die Liebe und die wiederum Mutmacher für Engagement. Schauplatz ist Berlin, eine überwachte Stadt. Während Christian als freier Journalist Geld für eine Recherche mit Ehemaligen der Roten Brigaden aufzutreiben versucht, schreibt Nele ihre Abschlussarbeit für die Uni und übt sich des Nachts bei kleinen Attacken als “Systemgegnerin”. In unterschiedlichen Lebenssituationen stellen beide sich dieselbe Frage: Bist Du Teil des Problems oder Teil der Lösung? Ulrich Peltzer begeistert mit einer unglaublich schnellen, filmartig geschnittenen Geschichte. Bitte lesen und erleben! Das ist mein Buch des Jahres 2007.

“Don Juan de la Mancha” von Robert Menasse

“Die Schönheit und Weisheit des Zölibats verstand ich zum ersten Mal, als Christa Chili-Schoten zwischen den Händen zerrieb, mich danach masturbierte und schließlich wünschte, dass ich sie – um es mit ihren Worten zu sagen – in den Arsch ficke.” Da fragt man sich doch, was ein Autor mit so einem Romananfang anstellen will? Auf 273 Seiten gibt Robert Menasse die denkbar beste Antwort und erzählt von dem Verführer Nathan, der trotz unzähliger Wechsel des weiblichen Pendants einzig auf der Suche nach Liebe ist. Nathan ist ein Protagonist zum Liebhaben, man kann mit ihm und auch mal über ihn lachen, seine Gedanken und Gelüste teilen und sich von seinem tragikomischen Lebensweg mitreißen lassen. Ein lohnenswertes Abenteuer.

“Der Augenblick der Liebe” von Martin Walser

Es ist immer wieder ein Wunder, der Augenblick der Liebe, des Sichverliebens, auch für Gottlieb und Beate. Er (alternder Privatgelehrter) und sie (junge Doktorandin), verbunden in ihrer Leidenschaft für den französischen Philosophen La Mettrie, ergeben sich diesem Augenblick wie der Zwangsläufigkeit eines Naturgesetzes. Aber da ist auch Anna, Gottliebs Frau, die er nach langen Jahren der Ehe durch Beate und aus der Ferne heraus neu entdecken kann. Die Spielregeln des Alltags werden von eine Augenblick der Liebe außer Kraft gesetzt. Doch wo die Liebe zunächst zerstörerisch wirkt, dominiert am Ende ihr Wille zur Schöpfung. Martin Walser beschreibt das unbeschreiblich Schöne, die übermächtige Wirkung des wunderbarsten aller Gefühle mit einer Sprachkunst, die ihresgleichen nicht kennt.

“Schöne Verhältnisse” von Edward St. Aubyn

Sommer in einer Villa in Südfrankreich: die Familie Melrose hat willkommene Freunde zu Gast, man unterhält sich geistreich, gebildet und eloquent und ist doch Figur in einer bösen Farce. Der Hausherr David, unvergleichlich an Dominanz und Boshaftigkeit, tyrannisiert mal direkt, mal zutiefst subtil sein Umfeld. Seine Frau greift zum Alkohol, während sein fünfjähriger Sohn bereits Todessehnsüchte pflegt. Auch der Rest der feinen Gesellschaft sieht besser aus als er ist. Mit einer herzlosen Leichtigkeit flanieren die Damen und Herren durch ihre exklusiv eingerichtete Hölle. Hauptsache, man sieht gut aus. St. Aubyn erzählt mit zynischer Leichtigkeit und einer Sprache, die seine Herkunft aus dem englischen Hochadel dokumentiert, wie man gediegen zugrunde geht. Selten bereitet Böses so viel Lesevergnügen.

“Raumforderung” von Thomas Melle

“Raumforderung” ist das erste Buch des jungen Autors Thomas Melle und beinhaltet zwölf an Inhalt und Form sehr unterschiedliche Erzählungen. Da ist die Geschichte von Marco, der die DVD mit Aufnahmen seiner Tante und seines Onkels beim Sex anschaut. Oder die Geschichte “Nachtschwimmer”, in der die winzige Grenze zwischen Leben und Tod, Spiel und Ernst nahezu unsichtbar wird. Bei aller Verschiedenheit haben die Geschichten jedoch eines gemeinsam: ständig geht es um Kontrollverlust, der einfach passiert, ohne dass er bedacht oder herausgefordert worden ist. Und gemeinsam haben sie den sezierenden Blick des Autors, der eine fast organische Sprache entfaltet und Wohnungen als “krebskrank” beschreiben kann, ohne dabei in die Lächerlichkeit abzurutschen. Thomas Melle ist eine wahre Neuentdeckung. Mehr davon!

Katharina Thiel studiert Germanistik und Geschichte in Berlin. Im März 2007 erschien der von ihr mit herausgegebene Band “Glück” im Parodos Verlag. Sie ist außerdem Organisatorin der Lesereihe “Kreuzberg liest”.

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