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Was Parteien von Borussia Dortmund lernen können

Was Parteien von Borussia Dortmund lernen können

Personalisierte Kampagnen sind der wichtigste Trend des Campaigning Summit Berlin, der Ende Mai über 250 Kampagnenmacher im Umspannwerk am Alexanderplatz zusammenbrachte.

Auf der WWF-Kampagnenseite #iamnature zum Beispiel können Nutzer durch die Beantwortung von drei kurzen Fragen personalisierte Handlungsempfehlungen für eine bewusstere und gesündere Lebensweise bekommen. Und Craig Elder (@craigelder), Digital Director der Konservativen in Großbritannien, berichtete von einem interaktiven Tool, mit dem die Tories es den Besuchern ihrer Webseite während des Wahlkampfes ermöglichten zu errechnen, wie viel Geld sie durch die Steuerreform der Konservativen in der letzten Legislaturperiode sparen konnten. Politik wird so auf Heller und Pfennig erlebbar gemacht.

Konzerne haben Kunden, Fußballvereine haben Fans

Gerade politische Kampagnenmacher dürften aber auch die Präsentation von Dennis Thom, Marketingleiter von Borussia Dortmunf (BVB), mit Interesse verfolgt haben. Marken haben Kunden, die mit der Zeit hoffentlich Fans werden, so Thom in seinem unterhaltsamen Vortrag. Fußballvereine wie der BVB hingegen haben zunächst einmal Fans, die vielleicht auch Kunden werden.

Diese Analogie trifft auch auf politische Parteien zu, deren Sympathisanten in der Regel ebenfalls nicht wegen einer Kosten-/Nutzenkalkulation zu Wählern der Partei werden, sondern deren Unterstützung auf einer viel tieferen Affinität zu den Werten und Idealen der Partei beruht. Allerdings können diese Unterstützer nicht zu jeder Wahl gleichermaßen aktiviert werden.

Der BVB hat in einem umfassenden Branding-Prozess versucht, seine Marke auf der Grundlage von vier Prinzipien zu entwickeln und zu stärken:

  • Intensität führt zu einer unvergleichlichen fußballerischen Atmosphäre;
  • Authentizität fördert das Vertrauen und die Unterstützung der Fans;
  • die Bindekraft des Vereins macht ihn zur fußballerischen Heimat einer großen Anzahl von Menschen und
  • Ambition sorgt für das Erreichen sportlicher Ziele und andauernden Erfolg.

Als politische Kampagnen sich in der Mitte der 1990er Jahre auch in Deutschland professionalisierten, nahmen sich viele Kampagnenmacher die großen Konsumgütermarken mit ihrer Heerschar treuer Kunden zum Vorbild. Das Ergebnis dieses Prozesses sind Parteien, die sich nur noch durch wenig aussagekräftige Claims (“jetzt noch weißer!”) von ihren Wettbewerbern unterscheiden.

Was Parteien von Fußballvereinen lernen können

Authentizität, Bindekraft oder Intensität sind heute keine Eigenschaften, die mit den großen Volksparteien assoziiert werden (eher noch bei den Grünen oder der Linken). Bei der CDU wird diese Schwäche durch die nach wie vor große Beliebtheit der Bundeskanzlerin noch kaschiert, aber auch hier leidet die Bindekraft der Partei und führte schließlich zur Gründung der AfD.

Potentielle Wähler nicht als Kunden, sondern als Fans zu sehen eröffnet den Parteien einen neuen Blickwinkel auf den Wahlkampf und eine effektive Mobilisierung ihrer Unterstützer. Fußballvereine sind aus dieser Perspektive möglicherweise die besseren “Benchmarks” als Konsumgüterkonzerne.  Augenzeugenberichten zufolge sollen Unionsvertreter noch während des Campaigning Summits Kontakt zu Thom aufgenommen – ich bin gespannt, wann Fussball-Marketeers die ersten Seminare im Konrad-Adenauer-Haus geben …

Vielen Dank an das Portal politjobs.eu für das Ticket zum Campaigning Summit Berlin. Dieser Blogpost ist zuerst beim Hamburger Wahlbeobachter erschienen.

Foto: Campaigning Summit Berlin / Radek Zawadzki. All rights reserved. Mit freundlicher Genehmigung der Veranstalter.

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