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Die besten Bücher 2006

Die besten Bücher 2006

2006 war nicht nur das Jahr von Dan Brown, Günter Grass und Gerhard Schröder. Katharina Thiel stellt ihre Lieblingsbücher des vergangenen Jahres vor, die auch 2007 noch spannend sind.

“Die Habenichtse” von Katharina Hacker

Isabelle und Jakob haben alles erreicht, was sie sich vorgenommen haben: Ihr Weg führt sie von Berlin in ihr schickes Londoner Häuschen, sie besuchen Kunstausstellungen, Theater und feine Restaurants. Doch auf dem Höhepunkt ihrer Karriere angekommen, stehen die beiden vor dem Nichts. Zwischen Anwaltskanzlei und Grafikagentur haben Isabelle und Jakob das Menschsein vergessen. Absolute Freiheit bedeutet nichts und das junge Paar ist unfähig, das eigene Leben sinnvoll zu begrenzen. Auch einander verlieren sie, die Habenichtse. Schleichend halten Gewalt und Verachtung Einzug in ihr Leben … Für diesen außergewöhnlich eindringlichen Roman erhielt die Autorin Katharina Hacker den Deutschen Buchpreis 2006.

“Von der Schönheit” von Zadie Smith

Auf den ersten Blick handelt dieser Roman von zwei konkurrierenden Universitätsprofessoren und Familienoberhäuptern. Auf den zweiten Blick jedoch entpuppt er sich als die Geschichte eines Ehebruchs und einer Frau, die zutiefst verletzt und erschüttert im Glauben an ihre Werte und Ideale nicht einbricht, sondern sich voller Stolz und Selbstachtung mit ihrem Leben konfrontiert: “Das muss schrecklich für dich sein. (…) Da ist (…) dein sensibler, subtiler, ach, so wunderbarer Verstand, und dann stellt sich heraus, dein Schwanz ist ein absolut vulgäres, blödes, kleines Arschloch.” Zadie Smith positioniert ihre Helden zwischen den Polen England und Amerika, Liberalismus und Konservativismus, Hässlichkeit und Schönheit. In diesen Spannungsfeldern entsteht eine fesselnde und mit feinem Humor gewürzte Geschichte, die absolut lesenswert ist.

“Die Vermessung der Welt” von Daniel Kehlmann

Ich muss zugeben, dass ich mich nur schwerlich für Naturwissenschaften begeistern kann. Dementsprechend skeptisch stand ich einem Roman über Carl Friedrich Gauß und Alexander von Humboldt gegenüber, beide ausgewiesene Naturwissenschaftler. Doch bereits auf der ersten Seite wich meine Skepsis der Begeisterung für dieses Buch. Während sich Humboldt durch die Büsche schlägt und Menschenfressern begegnet, würde Gauß am liebsten nicht mal das Bett verlassen. Jeder erreicht jedoch auf seine Weise sein Ziel: die Vermessung der Welt. Und amüsanter hätte die Schilderung dieses Prozederes kaum ausfallen können. Daniel Kehlmann ist vielleicht der begabteste Autor seiner Generation, zumindest beherrscht er den Konjunktiv derart perfekt, dass man diesen Text zur Pflichtlektüre im Deutschunterricht machen möchte.

“Sturmflut” von Margriet de Moor

Dieser Roman ist wohl das Schönste, was ich in diesem Jahr und darüber hinaus gelesen habe. Margriet de Moor erzählt die Geschichte zweier Menschen entlang der ungeheuren Naturkatastrophe, die sich im Februar 1953 in den Niederlanden ereignete. Lidy vertritt ihre Schwester Armanda bei einem Besuch des Patenkindes, Armanda geht derweil mit Lidys Mann auf eine Party und hütet Lidys Tochter. Von dieser Situation ausgehend taucht der Leser in zwei Zeitstränge ein: der erste erzählt von den beängstigenden und tragischen Stunden Lidys während der Sturmflut, der zweite beschreibt das Eintauchen Armandas in Lidys Leben und dessen Übernahme. Selten können Extremsituation so poetisch sein.

“Der Freund und der Fremde” von Uwe Timm

In diesem autobiographischen Buch schreibt Uwe Timm von seiner Freundschaft zu Benno Ohnesorg, der am 2. Juni 1967 auf der Anti-Schah-Demonstration in Berlin erschossen wurde. Die Poesie dieses Textes und das Gefühl für eine Generation auf dem Weg in die politische Rebellion kann nur aus der Feder eines Uwe Timm fließen: “So nahe, nebeneinander, hautnah. Der Nächste, der ganz andere, in dem man sich selbst auch erfährt, nicht der sein wollen, der man ist, sondern der sein, der man sein könnte, der sich in den Augen des anderen spiegelt, größer, reicher, nicht festgelegt wie bisher, sondern auf zukünftiges Gelingen angelegt.” Bleibt nur noch zu sagen: lesen und genießen!

Katharina Thiel studiert Germanistik und Geschichte in Berlin. Im März 2007 erschien der von ihr mit herausgegebene Band “Glück” im Parodos Verlag. Sie ist außerdem Organisatorin der Lesereihe “Kreuzberg liest”.

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