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„Working from home“ oder „living at work“? Wie man hybride Arbeit erfolgreich gestaltet

„Working from home“ oder „living at work“? Wie man hybride Arbeit erfolgreich gestaltet

  • Die Pandemie war für Dropbox ein Anlass, grundsätzlich zu überdenken, wie wir Arbeit organisieren wollen.
  • Als „Virtual First“-Unternehmen arbeitet Dropbox überwiegend dezentral und die Büros werden zu Orten der Kollaboration.
  • Auch hybride Arbeitsmodelle müssen in Zukunft „remote first“ denken.

Nach anderthalb Jahren im Homeoffice öffnen die Dropbox-Büros in Hamburg und München im Herbst wieder ihre Türen. Schreibtische werden dort allerdings nicht mehr zu finden sein. Stattdessen haben wir unsere Büros in Räume für Kollaboration, soziale Begegnungen und Meetings mit Kunden umfunktioniert. All dies ist Teil unserer Transformation in ein „Virtual First“-Unternehmen.

Auch andere Firmen haben sich in den vergangenen Monaten gefragt, wie sie Arbeit in Zukunft organisieren. Der Konstanzer Homeoffice-Studie zufolge wünschen sich Arbeitnehmer:innen, etwas mehr als drei Tage die Woche mobil zu arbeiten. Das sind sogar noch mehr Tage als bei einer ähnlichen Umfrage während der ersten Welle der Pandemie.

Und viele Unternehmen reagieren auf den Wunsch ihrer Mitarbeiter:innen: Siemens-Angestellte können in Zukunft bis zu drei Tage von zu Hause aus arbeiten, SAP stellt es seinen Mitarbeiter:innen frei, wo sie arbeiten möchten und auch beim Autobauer Opel sollen in Zukunft drei Viertel der Belegschaft überwiegend von zu Hause aus arbeiten.

Auf dem Weg zu einem „Virtual First“-Unternehmen

Auch für Dropbox bedeutete die Pandemie einen erheblichen Einschnitt. Obwohl mobiles Arbeiten bei uns grundsätzlich möglich war, arbeiteten nur drei Prozent unserer Belegschaft — mich eingeschlossen — von zu Hause aus.

Mit der Transformation in ein „Virtual First“-Unternehmen drehen wir diese Logik um: den größten Teil unserer Arbeit verbringen wir nun im Homeoffice oder einem Coworking-Space und treffen uns nur dann im Büro, wenn das persönliche Zusammenkommen einen echten Mehrwert bietet (etwa für Team-Building, Brainstormings oder Personalgespräche). Die Philosophie hinter diesem Ansatz haben wir — zusammen mit vielen praktischen Tipps und Anleitungen — in unserem „Virtual-First-Toolkit“ zusammengefasst.

Solche unternehmensweite Richtlinien für flexibles Arbeiten sind wichtig um zu verhindern, dass innerhalb eines Unternehmens neue Konfliktlinien entstehen, weil einige Mitarbeiter:innen mobil arbeiten und andere nicht. Der Brüsseler Think Tank Bruegel schreibt dazu in einem kürzlich veröffentlichten Policy Paper: „In many pre-pandemic working environments, teleworkers ran a high risk of falling outside their companies’ work organisational flows.“ Um das zu verhindern, müssen Unternehmen vier Bereiche beachten:

  1. Das Büro als physischer Raum muss neu gedacht werden („bricks“)
  2. Mitarbeiter:innen müssen die richtigen Tools zur Hand haben, um auch virtuell gut zusammenarbeiten zu können („bytes“)
  3. Die Unternehmenskultur muss auf Vertrauen basieren und inklusiv sein („behaviour“) und
  4. Unternehmensweite Richtlinien regeln das „wie“ der Zusammenarbeit unterschiedlicher Teams („blueprint“).

Was heißt das nun im Detail?

Das Büro als einen sozialen Raum denken

Solange Wissensarbeit auf physischen Medien wie Papier beruhte, war es sinnvoll, zentrale Orte für Arbeit in Form von (Großraum-) büros zu schaffen, die allerdings oft an „geistige Legebatterien“ erinnern. Das Internet macht das Büro als Ort von „industrieller Wissensarbeit“ überflüssig. Stattdessen wächst die Bedeutung des Büros als sozialer Raum.

In einer Mitarbeiterbefragung im vergangenen Jahr sagten 90 Prozent unserer Angestellten, dass sie zu Hause ebenso produktiv sind wie im Büro. In unseren neuen Dropbox Studios werden deswegen keine Schreibtische mehr stehen. Stattdessen finden unsere Mitarbeiter:innen dort Cafés, Sitzgelegenheiten und natürlich auch Konferenzräume und Whiteboards. Alle Räume sind flexibel eingerichtet, so dass die Einrichtung je nach Bedarf angepasst werden kann.

Die richtigen Tools — und wie man sie nutzt

Keine Frage: Wir alle haben die Vorteile von Videokonferenzen und in den letzten Monaten schätzen gelernt. Aber haben wir diese Tools auch richtig genutzt? Viele Unternehmen haben während des Lockdowns synchrone, persönliche Kommunikation wie etwa Besprechungen einfach durch synchrone digitale Kommunikation ersetzt — mit dem Ergebnis, dass fast der ganze Tag mit Videokonferenzen gefüllt war.

Die Vorteile von flexibler Arbeit können aber erst dann wirklich realisiert werden, wenn Unternehmen Zeit für „deep work“ schaffen: ungestörtes, konzentriertes Arbeiten. Wie dies aussehen kann, hat Matt Mullenweg, Gründer der WordPress-Firma Automattic in seinem Essay über die „fünf Ebenen des autonomen Arbeitens“ beschrieben.

Eine einfache Möglichkeit, die Zahl der — virtuellen und realen — Meetings zu reduzieren, ist unser „Drei D“-Test. Ein Meeting ist dann sinnvoll, wenn es um „decisions“ (Entscheidungen), „debates“ (strategische Fragen) und „discussions“ geht (etwa Brainstormings, Feedbackgespräche etc.). Alle anderen Meetings wie zum Beispiel Status-Updates können auch asynchron in einem Dokument, einer Tabelle oder einer E-Mail geteilt werden.

Die Unternehmenskultur digital erlebbar machen

Der Think Tank Bruegel beschreibt die Kultur eines Unternehmens in der oben bereits zitierten Studie als einen Eisberg: Manche Elemente sind sichtbar, viele jedoch unsichtbar. Sie werden erst durch das Beobachten und die Zusammenarbeit mit Kolleg:innen deutlich. In einem digitalen Umfeld sind diese impliziten Regeln und Normen noch schwieriger zu erkennen.

Flexible Arbeit braucht deswegen ein anderes Management-Verständnis, das auf Vertrauen und Autonomie aufbaut und Mitarbeiter:innen im Homeoffice explizit einschließt (Studien zeigen, dass Mitarbeiter:innen im Homeoffice seltener befördert werden als ihre Kolleg:innen im Büro).

Das amerikanische Patentamt, das bereits seit 2012, eine WFA („work from anywhere“) Richtlinie hat, knüpft das Recht auf flexible Arbeit an die Bedingung, zuvor zwei Jahre lang im Hauptquartier des Amtes zu arbeiten und so die Unternehmenskultur zu verinnerlichen. Und der belgische Telekommunikationsdienstleister Telenet bietet spezielle Weiterbildungsseminare für das Führen hybrider Teams an.

Flexibles arbeiten braucht klare Richtlinien

Einige Beispiele für Richtlinien für hybride Arbeit habe ich bereits genannt. Die entscheidendste Regel betrifft aber vermutlich Erwartungen zu Erreichbarkeit und  Reaktionszeit. Uns war es wichtig, Mitarbeiter:innen mehr Zeitautonomie zu geben und Zeit für „deep work“ zu ermöglichen. Dazu haben wir sogenannte „core collaboration hours“ eingeführt: vier Stunden am Tag, die für synchrone Arbeit wie regelmäßige Besprechungen, Videokonferenzen und Check-Ins genutzt werden sollen, damit der Rest des Tages möglichst frei von Meetings und Videokonferenzen ist.

Andere Unternehmen haben Meeting-freie Tage oder „virtuelle Sprechstunden“ eingeführt, in denen Mitarbeiter:innen Zeit für Gespräche mit Führungskräften buchen können — also das hybride Äquivalent zu einer „open door policy“. Im Grunde geht es auch hier darum, bewusst einen (Zeit-) Raum für Austausch und Begegnung zu schaffen.

Gleiches gilt für Nicht-Erreichbarkeit: Wo Arbeit und Privatleben scheinbar grenzenlos verschwimmen, besteht auch die Gefahr von Erschöpfung und Burnout. In Frankreich gibt es bereits seit 2017 ein „Recht auf Nichterreichbarkeit“ für Angestellte; in Deutschland haben einige Unternehmen ähnliche Regeln über Betriebsvereinbarungen eingeführt.

Damit aus „working from home“ nicht ein „living at work“ wird, sollten Arbeitgeber:innen und Belegschaft sich daher unbedingt auch über Nichterreichbarkeit verständigen.

Präsenz, hybrid oder virtuell: ein erstes Fazit

Die Arbeitswelt hat sich durch die Erfahrungen der Pandemie grundsätzlich verändert. Allerdings scheint es noch zu früh, um tatsächlich fundiert sagen zu können, welche Arbeitsformen sich durchsetzen werden und auch wir gehen davon aus, dass wir unseren „Virtual First“-Ansatz in den kommenden Wochen und Monaten weiter entwickeln und anpassen müssen.

Ein paar Regeln lassen sich allerdings schon festhalten:

  • Hybride Arbeit, bei der ein Teil der Mitarbeiter:innen im Büro arbeitet und ein Teil im Homeoffice oder einem Coworking-Space, birgt das Risiko einer unbeabsichtigten Benachteiligung von Mitarbeiter:innen, die nicht ständig präsent sind. Unternehmen müssen systematischen Bias zuungunsten von Homeoffice-Mitarbeiter:innen (gerade bei Beförderungen) unterbinden und ihre Prozesse am Besten so gestalten, dass sie grundsätzlich von überall her erledigt werden können („remote first“).
  • Das bedeutet natürlich auch den vermehrten Einsatz von Software für digitale Kollaboration — aber vor allem geht es eben um das bewusste Design von Arbeitsprozessen und eine Veränderung der Firmenkultur: Welche Meetings müssen weiterhin in Präsenz stattfinden, welche können in ein „living document“ verlagert werden? Wie können Unternehmen die Autonomie von Mitarbeiter:innen stärken und Abstimmungskosten senken? Wie gehen Teams mit dem Thema Nichterreichbarkeit und psychischer Gesundheit um? Dafür braucht es klare Richtlinien.
  • Flexible Arbeit ist aus diesem Grund auch nicht nur ein schnelles Modell zum Einsparen von Mietkosten. Im Gegenteil, zunächst sind je nach Ausgangslage zum Teil erhebliche Investitionen in Hardware, Software und die Ausstattung des Arbeitsplatzes erforderlich. In der Konstanzer Homeoffice Studie von November 2020 gaben 55 Prozent der Befragten an, sie hätten keine vollständige IT-Ausstattung von ihrem Arbeitgeber gestellt bekommen.

Wie hat sich Ihr Arbeitsplatz seit den Beginn der Pandemie verändert? Und wie stellt sich Ihr Unternehmen oder Ihre Organisation auf eine hybride Arbeitswelt ein? Ich freue mich auf Ihre Kommentare!

Dieser Blogpost ist zuerst auf zukunft der arbeit erschienen, einem Blog der Bertelsmann Stiftung.

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