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„Respekt vor Nicht-Erreichbarkeit“ statt „Recht auf Nicht-Erreichbarkeit“

„Respekt vor Nicht-Erreichbarkeit“ statt „Recht auf Nicht-Erreichbarkeit“

Die „Aufmerksamkeitskrise“ ist eines von drei Themen, die die von Dropbox unterstützte Studie „Measuring Tomorrow’s Work“ als zentrale Herausforderungen für die Gestaltung der Zukunft der Arbeit identifiziert hat.

Was es damit auf sich hat, hat der Autor und Unternehmer Markus Albers bereits in seinem 2017 erschienenen Buch „Digitale Erschöpfung“ (Amazon-Link) beschrieben: Das emanzipatorische Versprechen neuer Technologien, zu Arbeiten wo und wann man möchte, wich schnell einer Ernüchterung, weil Vorgesetzte statt dessen erwarteten, dass ihre Mitarbeiter immer und überall arbeiteten. Zudem ist der Arbeitstag heute oft von so vielen Push-Nachrichten unterbrochen, dass ein echtes, Konzentriertes Arbeiten fast unmöglich ist.

Die „Aufmerksamkeitskrise“ ist also tatsächlich ein ernstes Problem: Wissensarbeiter werden zwar für geistige Arbeit angestellt, verbringen laut einer McKinsey-Studie allerdings – salopp gesagt – 60 Prozent ihrer Zeit mit der Frage „wo hab ich nochmal dieses Dokument abgelegt?“

Die häufigste Antwort auf diese Herausforderung ist die Forderung nach einem „Recht auf Nicht-Erreichbarkeit“, also dem Abschalten digitaler Geräte nach Dienstschluss. Unternehmen wie Volkswagen und Bosch haben entsprechende Richtlinien verabschiedet und in Frankreich gibt es dafür sogar ein Gesetz. Was auf den ersten Blick sinnvoll erscheint, hat unter Umständen negative Nebenwirkungen.

Eine aktuelle Studie der University of Sussex kommt nämlich zu dem Schluß, dass das erzwungene Nicht-Erreichbar-Sein unter Umständen sogar zu mehr Stress führen kann als das Abrufen der E-Mails nach Feierabend. „Die Art und Weise, wie Menschen mit ihren E-Mails umgehen muss ihre Persönlichkeit und ihre Ziele widerspiegeln“, meint Dr. Emma Russell, eine der Autorinnen der Studie. Ein one-size-fits-all-Ansatz hingegen könne sogar mehr schaden als nutzen.

Wenn Arbeitgeber auf der einen Seite mehr Flexibilität bezüglich der Arbeitszeit und des Arbeitsorts gewähren (siehe dazu auch mein erster Post in dieser Reihe), wirkt ein kategorisches Abschalten aller Kommunikationsmittel nach Feierabend (wann ist Feierabend bei einem flexiblen Arbeitszeitmodell?) sogar geradezu anachronistisch.

Dauerhafte Erreichbarkeit ist dabei nur einer von vielen verschiedenen Stress-Ursachen. Laut einer Umfrage des Versicherers Swisslife sind die Hauptursachen für Stress Zeitdruck (46 Prozent), die Arbeitsatmosphäre (45 Prozent) und Leistungsdruck (32 Prozent). Dauerhafte Erreichbarkeit wurde von 21 Prozent der Befragten als Stress-Ursache genannt.

Dennoch: Neue Formen der Arbeit benötigen auch neue Formen der Zusamenarbeit. Berater Markus Albers spricht vom Dreiklang aus bricks (Bürogestaltung), bites (Technologie) und behaviour (Kultur).

Jedes Unternehmen wird dabei eigene Wege finden müssen. Ein paar Regeln allerdings scheinen universell sinnvoll zu sein wie etwa der Respekt gegenüber Mitarbeitern mit Familie oder Mitarbeitern aus anderen Zeitzonen. Meetings sollten demnach nicht in den Randzeiten des Tages geplant werden. Noch besser wäre es, Manager- und Maker-Tage einzuführen und an bestimmten Tagen überhaupt keine Meetings anzusetzen.

Bei Dropbox gibt es einige Kolleginnen und Kollegen, die sogenannte „Work With Me“-Dokumente erstellt haben. Diese Dokumente halten den persönlichen Arbeitsstil der Menschen fest, etwa ob sie lieber per Mail oder Slack kommunizieren oder welche Tage sie Meeting-frei halten möchten. Ein wirkliches „Recht auf Nicht-Erreichbarkeit“ ist das vielleicht nicht – ein „Respekt vor Nicht-Erreichbarkeit“ aber sehr wohl.

Für die Studie „Measuring Tomorrow’s Work” haben Das Progressive Zentrum (Berlin) und Policy Network (London) mit 50 internationalen ExpertInnen aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft in Großbritannien, Frankreich, Deutschland und Brüssel gesprochen. Die Studie liefert Einblicke und Impulse für die Debatte über den Einfluss neuer Technologien auf die Wirtschafts- und Arbeitswelt. Dropbox hat die Studie unterstützt.

Foto: Bruno Gomiero / Unsplash

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