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Grüne Wirtschaftspolitik: Neustart gewünscht

Grüne Wirtschaftspolitik: Neustart gewünscht

Nach der SPD versuchen sich nun die Grünen mit einer vorsichtigen Annäherung an die Wirtschaft. “Wir müssen unsere Wirtschaft konsequenter fordern, damit sie nachhaltiger wird – und gerade dadurch an Wettbewerbsfähigkeit gewinnt”, schreibt Cem Özdemir. In einem Gastbeitrag für das Handelsblatt (Paywall) forder der Grünen-Vorsitzende darüber hinaus eine Reform des Emissionshandels, den Abbau umweltschädlicher Subventionen und Mindeststandards für Energie- und Ressourceneffizienz.

Die wenigsten Wirtschaftsführer würden ihm widersprechen – das Problem liegt jedoch in der Umsetzung dieser Ziele. Die Tendenz zu Maximalforderungen, Ungeduld bei der Implementierung und unklare Leitlinien grüner Politik machen die Partei aus Sicht der Wirtschaft zu einem unsicheren Partner.

Investitionen in Forschung statt Ausstieg aus der Kohle

Maximalforderungen: Nach dem Ausstieg aus der Atomkraft fehlte den Grünen ein neues Megathema – die Forderung nach einem Ausstieg aus der Kohlekraft schien der Ausweg. Natürlich: Kohle stößt viel CO2 aus und der Abbau ist ressourcenintensiv. Allerdings haben moderne Kohlekraftwerke einen akzeptablen Wirkungsgrad und die Tatsache, dass es weltweit noch große Kohlevorkommen gibt, lässt vermuten, dass Kohle noch lange genutzt werden wird. Trotzdem suggerieren die Grünen, dass das Weltklima durch den deutschen Ausstieg aus der Braunkohle gerettet werden könnte.

Eine kluge deutsche Kohlepolitik würde Kohle nicht verbieten, sondern die Erforschung umweltfreundlicher Kohletechnologie fördern, damit in China Kohlekraftwerke nach deutschen Standards gebaut werden und so zumindest ein Teil der Emissionen eingespart wird.

Ungeduld: Energetische Gebäudesanierung kann einen erheblichen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Experten sind sich allerdings einig, dass Kosten und Nutzen in keinem Verhältnis stehen, wenn energetische Gebäudesanierung nicht in normale Sanierungszyklen eingebunden ist. Wer eine Wand aufreißt, nur um neue Dämmstoffe einzubauen, hilft zwar der Bauindustrie, aber nicht dem Klima. Eine kluge Klimaschutzpolitik hat Kosten und Nutzen im Blick und nimmt eine langfristige Perspektive ein.

Neue Technologien gelten als Risiko, nicht als Chance

Unklare Leitlinien: Unternehmen sehen sich erheblichen politischen Risiken gegenüber, wenn es um die Entwicklung neuer Technologien geht. Nicht selten werden Neuentwicklungen zunächst politisch gefördert, später jedoch fallengelassen. Als Reaktion auf die politische Forderung nach einer Reduktion von CO2-Emissionen haben Unternehmen mit der unterirdischen Speicherung von CO2 experimentiert – bis die Politik deutlich machte, dass diese Technik nicht erwünscht ist. Biokraftstoffe wurden zuerst auch von den Grünen gelobt – heute will die Partei davon nichts mehr wissen.

Neue Technologien sind selten von Anfang an perfekt. Allerdings bewegen sich Unternehmen heute in einem politisch-gesellschaftlichen Umfeld, in dem Kinderkrankheiten neuer Technologien immer seltener toleriert werden. Das Land der Dichter und Denker wird zum Land der  Bedenkenträger. Das schwächt das Image Deutschlands als führende Technologienation und gefährdet den langfristigen Erfolg der deutschen Wirtschaft. Eine kluge Wirtschaftspolitik muss auch für die Akzeptanz neuer Technologien werben.

Nachhaltiges Wirtschaften ist nicht nur eine Bringschuld der Wirtschaft. Die Unternehmen haben inzwischen sehr wohl gemerkt, dass in diesem Segment hohe Gewinnchancen liegen. Es braucht aber auch einen politischen Ordnungsrahmen, der die unternehmerische Sichtweise mit einbezieht. Zwar betont auch Cem Özdemir die Notwendigkeit eines “stabilen Ordnungsrahmens”, erklärt allerdings nicht, wie die Grünen dazu beitragen wollen.

Der Erfolg der erneuerbaren Energien in Deutschland – den auch die Grünen sich auf die Fahnen schreiben können – zeigt eindrucksvoll, wie eine Symbiose von grüner Politik und grüner Wirtschaft aussehen kann. Umso erstaunlicher, dass die Grünen in vielen anderen Wirtschaftssektoren immer noch mehr gegen die Wirtschaft zu arbeiten scheinen als mit ihr.

Foto: Heinrich-Böll-Stiftung, Lizenz: CC BY-SA 2.0

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View Comments (2)
  • Es ist ein Kurzschluss zu glauben, dass eine andere Energiepolitik mit einer neuen Wirtschaftspolitik gleich zu setzten ist. Wirtschaftspolitik müsste bei den Verwaltungskosten, Ansiedlungsförderung, F&E und nicht zuletzt zur Arbeitsmarktpolitik und Arbeitsrecht ansetzen.

    Im Übrigen sind die ALTEN Kohlekraftwerke (egal wo auf der Welt) das Problem. Die neuen chinesischen sind allemal effizienter als die alten deutschen….

    • Stimmt – der Fokus liegt vielleicht zu sehr auf Energie- als Wirtschaftspolitik. Aber ganz unwichtig ist Energieversorgung ja nicht für die Wirtschaft. Was Deinen zweiten Punkt angeht: klar, am Besten wäre wenn man ganz auf Kohle verzichtet, aber das sehe ich nicht kommen also muss man schauen, wie man damit umgeht …

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