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Wahlabend 2013: So kam es zu Schwarz-Grün

Wahlabend 2013: So kam es zu Schwarz-Grün

Um kurz nach 18.00 Uhr steht es fest: die CDU/CSU bleibt die stärkste Fraktion, gefolgt von der SPD. Die Grünen folgen an dritter Stelle, während die übrigen drei Parteien – FDP, Linke und Piraten – abgeschlagen rund um die 5-Prozent-Hürde liegen.

Keine der Parteien konnte damit ihr Wahlziel erreichen: für eine Neuauflage von Schwarz-Gelb reicht es nicht, auch wenn die Liberalen nach dem Sturz ihres Parteivorsitzenden Philipp Rösler eine demoskopische Aufholjagd gestartet haben, die ihnen schließlich den Verbleib im Parlament gesichert hat. Aber auch für Rot-Grün reichen die Stimmen nicht.

Kurz nach den ersten Hochrechnungen tritt der SPD-Spitzenkandidat Peer Steinbrück vor die Kameras. “Wir haben unser Ziel, die Regierung Merkel abzulösen, nicht erreicht”, beginnt Steinbrück. “Und ich habe immer gesagt, dass es mit mir keine neue Große Koalition geben wird. Dennoch gibt es ein klares Wählervotum für eine Koalition zwischen den beiden Volksparteien SPD und CDU. Die SPD unter ihrem Vorsitzenden Sigmar Gabriel wird Koalitionsverhandlungen deswegen nicht verwehren. Meine Aufgabe ist jedoch erfüllt. Die Verhandlungen werden von Sigmar Gabriel geführt werden.” Jubel sieht anders aus, aber die SPD ist eine pflichtbewusste Partei.

Lange Gesichter gibt es auch bei den Grünen. Jürgen Trittin und Katrin Göring-Eckhardt haben hart gekämpft, können ihren Wählern aber trotzdem nichts vorweisen. Koalitionsverhandlungen mit der CDU werden noch ausgeschlossen, schließlich hat man das im Wahlkampf immer betont.

Die Wahlparties sind kurz und die Koalitionsverhandlungen beginnen früh. Merkel hat Sigmar Gabriel bereits in der Wahlnacht zu ersten Sondierungsgesprächen eingeladen. Man einigt sich schnell auf ein paar wesentliche Punkte, aber die Chemie stimmt nicht. Immer wieder kommt es zu Unterbrechungen der Verhandlungen, weil die SPD Angst hat, zuviele Zugeständnisse zu machen und Angela Merkel auf der anderen Seite Druck aus der Partei spürt, wieder einen stärker konservativen Kurs einzuschlagen.

Nach Abschluss des dritten Verhandlungstages, es ist bereits nach Mitternacht, greift Angela Merkel noch einmal nach ihrem Mobiltelefon und wählt eine Nummer. Jürgen Trittin nimmt ab und setzt sich kurz darauf in ein Taxi. Es ist ein bisschen wie bei der Nominierung von Joachim Gauck als Bundespräsident, als Trittin – ebenfalls ungeduscht – die Kanzlerin trifft.

Erst ein paar Tage später wird man in den Medien lesen, dass es dieses Treffen überhaupt gab. Es ist ein historisches Treffen, denn es ist der Auftakt für die erste schwarz-grüne Koalition auf Bundesebene. Den Machtpolitikern Merkel und Trittin ist schnell klar, dass dieses Experiment erfolgreich sein kann. Die Frage ist nur, wie man so eine Koalition der eigenen Basis am Besten verkauft.

Merkel und Trittin entscheiden, dass es jetzt schnell gehen muss. Am nächsten morgen kündigt Merkel der verdutzten SPD die Koalitionsgespräche auf und verkündet, dass sie Sondierungsgespräche mit den Grünen eröffnen will. Innerhalb von einer Woche steht ein Koalitionsvertrag und die beiden Parteien rufen einen Sonderparteitag ein.

In der CDU ist die Entscheidung noch verhältnismäßig einfach: Katrin Göring-Eckhardt und Jürgen Trittin sind vielen Unions-Wählern sympathischer als Sigmar Gabriel und Andrea Nahles, die nach dem Rücktritt von Steinbrück das Ruder in der Partei übernommen haben.

Die Grünen-Basis ist wesentlich kritischer. Sie überzeugt aber letztendlich, dass eine Regierung mit Grünen-Beteiligung besser ist als eine Regierung ohne die Grünen – auch wenn das bedeutet, in den sauren Apfel zu beißen und mit der CDU zu koalieren. Ein flammendes Plädoyer des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann gibt den Ausschlag für ein positives Votum des Parteitages. Die erfolgreichen Grünen im konservativen Südwesten der Republik sind das Vorbild für die erste schwarz-grüne Regierung auf Bundesebene.

Alle Grünen nutzen bei ihrem Amtseid die Formel “so wahr mir Gott helfe”. Angela Merkel sieht zufrieden aus.

Epilog

Natürlich, es kann alles auch ganz anders kommen. Trotzdem verwundert es, dass in den Medien bislang so wenig über die Möglichkeit einer schwarz-grünen Koalition geschrieben wird. Für ein solches Szenario sprechen jedenfalls zwei Gründe: zum einen die immer noch fehlende Wechselstimmung – ein Großteil der Deutschen wünscht sich nach wie vor Merkel als Kanzler.

Zum anderen muss es einen nachdenklich stimmen, wenn man sieht, wie kritisch die Grünen dem Kandidaten Steinbrück gegenüber stehen. Während Sigmar Gabriel den beiden grünen Spitzenkandidaten heute auf Facebook zu ihrer Nominierung gratuliert hat, hört man von vielen Grünen nur ätzende Kritik am SPD-Mann Steinbrück.

Und in einem Interview antwortete Sven Giegold, grüner Abgeordneter im Europaparlament, auf die Frage nach der grünen Unterstützung für Steinbrück: “Ich hoffe auf eine Bundesregierung mit viel Grün. Denn unsere Erfahrungen mit dem Ministerpräsidenten Steinbrück in Düsseldorf waren nicht erfreulich.”

Der Wahlkampf 2012/13 wird jedenfalls an vielen Fronten geführt werden!

Foto: elbfoto, Lizenz: CC BY 2.0

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