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Linksruck

Linksruck

Elterngeld, Wehrpflicht, Atomausstieg, Mindestlohn: die CDU erfindet sich neu und übernimmt die Positionen der politischen Linken. Natürlich werden die Koalitionsbeschlüsse der konservativen Rhetorik angepasst: dem Elterngeld wird die “Herdprämie” an die Seite gestellt und der gesetzliche Mindestlohn wird als “tarifliche Lohnuntergrenze” als marktwirtschaftliche Lösung verkleidet. Trotzdem: gestandene Konservative dürften sich verwundert die Augen reiben über die Geschwindigkeit, mit der Angela Merkel die CDU zu einer progressiven Partei macht.

Der Wandel der CDU sagt allerdings nicht nur etwas über die Lage des Konservatismus in Deutschland, sondern vor allen Dingen etwas über die Wähler. Jahrzehntelang stand der deutsche Wähler jedem Anzeichen von Wandel skeptisch gegenüber. “Keine Experimente”: der Adenauer-Slogan aus der Bundestagswahl 1957 traf den Kern der deutschen politischen Kultur für viele Jahre. In der Geschichte der Bundesrepublik stellte die CDU über vierzig Jahre lang den Kanzler.

Aber es hat sich etwas geändert. Die Finanzkrise hat den Glauben an die unsichtbare Hand des Marktes erschüttert. “I’m starting to think that the Left might actually be right”, schrieb der konservative britische Journalist Charles Moore im Sommer diesen Jahres im Daily Telegraph. Der Text wirkte wie ein Dammbruch und sorgte für ein gewaltiges Echo.

Die Wut gegen das Finanzsystem ist keine intellektuelle Fingerübung, sie reicht bis weit in die Mittelschicht. Frank Schirrmacher beschreibt im Alternativlos-Podcast wie der Begriff “Leistung”, ein “Mantra” unseres gesamten Systems, durch das Auseinanderklaffen von Lohn und Leistung zerstört wird. Schirrmacher geht sogar noch weiter und führt aus, dass diejenigen Hedgefonds-Manager und Banker, die eine erkennbar “negative Leistung”, also einen Wertverlurst, erbringen, davon sogar noch profitieren. “Die Zäsur ist viel größer als wir denken”, so der Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und zitiert die Empörung eines Mittelständlers über den “Verrat einer Klasse (…) an der Gesamtgesellschaft”.

Wenn selbst Unternehmer das Verhalten der Banken als Verrat an der Gesellschaft empfinden ist klar, dass es einen fundamentalen Wandel in der politischen Kultur eines Landes gibt. Der Wahlkampf 2013 wird kein Wahlkampf sein, der Angst vor einer “sozialistischen” Koalition aus SPD, Grünen und den Linken schürt. Er wird ein Wahlkampf sein, der Angst vor dem Kapitalismus schürt.

Foto: Daniela Hartmann, Lizenz: CC BY NC SA 2.0

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