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Wie man ein politisches Startup baut

Wie man ein politisches Startup baut

Es sind bewegte politische Zeiten – nicht nur wegen der überraschenden Wahlerfolge populistischer Politiker wie Donald Trump, Nigel Farage oder Jair Bolsonaro.

In Deutschland haben wir den Rauswurf und Wiedereinstieg der FDP in den Deutschen Bundestag gesehen und den Einzug der AfD in fast alle Parlamente. Auch andere Parteien wie die Piratenpartei konnten kurzfristig beachtliche Wahlerfolge erzielen – stets auf Kosten der Volksparteien, die immer weniger Stimmen auf sich vereinen. Das Parteiensystem ist volatiler geworden.

Diesen „politischen Entrepreneuren“, neuen politischen Parteien, die das etablierte Parteiensystem disruptieren, widmet sich ein neues Buch von Josef Lentsch, Geschäftsführer des Berliner „Innovation in Politics“-Instituts.

Dabei konzentriert sich Lentsch auf liberale Politik-Startups wie die österreichische Partei NEOS, deren Mitgründer Lentsch ist. Daneben befasst sich das Buch außerdem mit Emmanuel Macrons Partei En Marché, der spanischen Cuidadanos-Partei, Momentum aus Ungarn, der polnischen Nowoczesna, Progresívne aus der Slowakei und Jesh Atid aus Israel.

Die Allegorie eines „politischen Start-Ups“ trägt freilich nur bis zu einem bestimmten Punkt – eine politische Partei ist schließlich keine E-Scooter-Firma und Externalitäten wie unterschiedliche politische Kulturen, Wahlsysteme und Institutionen prägen den Erfolg oder Mißerfolg einer neuen politischen Partei wesentlich deutlicher als das Wirtschaftssystem den Erfolg eines Start-Ups.

Dennoch trifft Lentsch mit seinem Buch einen wichtigen Punkt: neue politische Parteien ähneln heute vielmehr Bewegungen als Massenorganisationen und Populisten waren bislang erfolgreicher darin, diese Tatsache für sich zu nutzen. „Political Entrepreneurship“ ist der unterstützenswerte Versuch, progressiven Bewegungen zu einem ähnlichen Erfolg an der Urne zu verhelfen.

Ein Modell könnte nach Meinung des Sozialwissenschaftlers Harald Katzmair das Prinzip „one party, many places“ sein, nach dem auch die amerikanischen Mega-Kirchen organisiert seien. Im Zentrum dieses Organisationsmodells stehen lokale Gruppen, die jedoch durch Fortbildungen und regelmäßige Gottesdienste an die Zentrale gebunden werden.

Auch wenn sich Lentsch auf neue politische Parteien fokussiert: die großen Volksparteien können ebenfalls von politischen Start-Ups lernen. Überhaupt: trotz aller verfrühten Nachrufe sind auch Volksparteien wandlungsfähiger als manche glauben – das zeigt nicht nur die Entwicklung der CDU unter Angela Merkel, sondern auch der Dritte Weg der Sozialdemokratie (auch wenn man zu Recht sagen könnte, dass der Dritte Weg in kaum einem Land nachhaltigen Erfolg hatte).

„There is no right or wrong way“, schreibt Lentsch und an manchen Stellen bleibt das Buch tatsächlich im Ungefähren. „Public opinion, and pollsters who measure it, have to be constantly cultivated“, zitiert Lentsch einen Berater etwa, ohne genauer zu erläutern, was unter dem „kultivieren“ von Beziehungen zu Meinungsforschern zu verstehen ist.

Wer nach einer Blaupause für eine neue politische Partei sucht, wird von dem Buch vielleicht enttäuscht sein. Aber in der Vielfalt der Möglichkeiten genau den Pfad zu finden, der zu einem langfristigen Erfolg führt, ist genau das unternehmerische Element der Politik. „Political Entrepreneurship“ ist deswegen ein gutes Handbuch für politische Unternehmer auf lokaler, regionaler oder nationaler Ebene.

Mehr zum Thema Politikmanagement und politische Startups gibt es auch in meinem Newsletter „The Political Startup“, in dem auch dieser Beitrag erschienen ist. Ihr könnt den Newsletter hier kostenlos abonnieren.

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