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Kann die SPD von Trumps Sieg lernen?

Kann die SPD von Trumps Sieg lernen?

Immigrants make America Great

Im August 2016 sprach ich mit der US-Korrespondentin einer deutschen Zeitung, die gerade den Präsidentschaftswahlkampf im flyover country verfolgte. Wir sprachen auch über die Situation der Arbeiter in den USA und sie sagte: „Ich würde mich nicht wundern, wenn die Arbeiter hier Trump wählen.“

Das war der Moment, an dem ich das erste Mal dachte, dass Hillary Clinton tatsächlich verlieren könnte.

„Trump macht uns platt“

Auch David Betras, damals Vorsitzender der Demokratischen Partei in  Mahoning County mitten im rustbelt der Vereinigten Staaten, gehörte zu denen, die schon lange vor der Wahl vor einer Niederlage warnten. In Interview mit Karl Doemens sagt er nun über die Demokraten: „Trump macht uns platt“.

Das Interview ist extrem lesenswert, aber dennoch glaube ich nicht, dass von ihm „sogar die deutsche SPD“ etwas lernen könnte, wie es im Teaser heißt – freilich ohne dass im Interview selbst auf die SPD eingegangen wird.

Industriepolitik ist Chefsache

„Die Demokraten haben die Stimme verloren, mit der Arbeiterschaft zu reden“, sagt Betras. Wenn eine Fabrik schließt, gebe Trump den Arbeitern dennoch das Gefühl, für sie zu kämpfen.

Der Industriesektor spielt in Deutschland allerdings eine viel wichtigere Rolle als in den USA und hat dadurch auch wesentlich mehr politisches Gewicht. Es gibt nicht nur eine Partei, die sich für die Belange der Industriearbeiter einsetzt – es gibt keine Partei, die das nicht tut.

Zugespitzt könnte man sogar sagen, dass der Facharbeiter bei Volkswagen bei der letzten Bundestagswahl mehr davon profitiert hätte, die CDU mit dem Vorschlag eines Baukindergeldes zu wählen als die SPD, die mit der Erhöhung des Mindestlohns in den Wahlkampf gezogen ist.

Es ist zweifellos gut, dass die SPD in den letzten Jahren vermehrt auch auf die Probleme der gering bezahlten Arbeitnehmer im Handel und in sozialen Berufen eingegangen ist. Allerdings sind diese Wählerschichten hart umkämpft und der SPD gelang es zu wenig, ihre „alten“ Stammwähler mitzunehmen und damit ihr Wählerpotenzial insgesamt auszubauen. 1998, als die SPD über 40 Prozent der Wählerstimmen bekam, nannte man das im Willy-Brandt-Haus „die neue Mitte“.

„Für Flüchtlinge ist Geld da …“

Betras: „Er [Trump] greift die Migranten an, weil er weiß, dass es in der DNA der Demokraten steckt, das zurückzuweisen. Die Arbeiter sehen, dass sich die Demokraten um die Migranten kümmern und fragen: Was ist mit mir? Mit meinem Job?“

Auch hier fällt es schwer, eine Handlungsempfehlung für die SPD (oder irgendeine andere progressive Partei) abzuleiten. Wenn sich Parteien auf die Regieanweisungen von Rechtspopulisten einlassen, verliert am Ende die Freiheit. Angriffe auf Flüchtlinge und Migranten sind aus humanistischen und wirtschaftlichen Gründen falsch und Parteien sollten den Mut haben, das auch zu sagen. Gerhard Schröder hatte diesen Mut.

In der Flüchtlingskrise hatte die SPD den richtigen Ansatz: Dass mit der Aufnahme einer großen Zahl von Flüchtlingen die Kosten für die Flüchtlingshilfe steigen würden, war natürlich klar. Gleichzeitig wollte die Partei den Eindruck vermeiden, dass zwar „Geld für die Flüchtlinge da“ sei, nicht aber für Deutsche und forderte deswegen Investitionen in Wohnungen, Kitaplätze und andere öffentliche Infrastruktur.

Für die neuen Parteivorsitzenden mag das kein Trost sein, aber dennoch ist richtig: um die SPD wieder auf Kurs zu bringen reicht weder ein neuer Brückenschlag zur Arbeiterschicht noch ein härterer Kurs gegenüber Flüchtlingen und Migranten. Es wären auch inhaltlich die falschen Impulse.

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