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BTW17: Stilkritik eines Wahlkampfes

BTW17: Stilkritik eines Wahlkampfes

Die Prognose um 18.00 Uhr war keine Überraschung mehr. Angela Merkels “Sie kennen mich”-Wahlkampf hat wieder funktioniert, dieses Mal in der leicht abgewandelten FEDIDWGUGL-Version. Der Claim (“Für ein Deutschland in dem wir gut und gerne leben”) funktionierte nach demselben Prinzip wie die Shows der Youtuber, die die Spitzenkandidaten auch in diesem Jahr interviewen durften: frei von Inhalten, aber reichweitenstark.

Dennoch: man kann der CDU nicht vorwerfen, dass sie einen erfolgreichen – wenn auch intellektuell anspruchslosen Wahlkampf geführt hat. Die Frage ist eher, warum es der SPD wieder nicht gelungen ist, die Kanzlerin zu stellen. Während des Wahlkampfes hat die SPD mehr handwerkliche Fehler gemacht als selbst der beste Spitzenkandidat ausbügeln könnte.

Martin Schulz: von nahbar zu Nachbar

Martin Schulz hat seine Stärke ganz zu Beginn der Kampagne gezeigt: in einer Sendung mit Anne Will präsentiere er sich als ein Kandidat, der die richtigen Fragen stellt und konkret statt abstrakt die Probleme des Landes benennt. Seiner unbestrittenen europa- und außenpolitschen Kompetenz stellte er seine Erfahrung in der Kommunalpolitik zur Seite. Seine starke persönliche Geschichte, sein beinahes Scheitern, ließen Schulz nahbar und menschlich erscheinen.

Diese Authentizität fehlte Martin Schulz in den letzten Wochen. Beim Anschauen der Wähler-Sprechstunde  “Klartext, Herr Schulz!” im ZDF entstand der Eindruck, die Spin-Doktoren der SPD hätten die Stärken des Spitzenkandidaten so überzeichnet, dass sie wie Schwächen wirkten. Es wirkt eben nicht mehr authentisch, wenn Martin Schulz versichert, jeden noch so kleinen Ort in Deutschland gut zu kennen (“Da war ich schon mal!”).

#fedidwgugl: ein potemkinsches Wahlprogramm

Es stimmt natürlich: Inhaltlich hatte die SPD wesentlich mehr zu bieten als die CDU. Die allerdings konnten dafür mit dem #fedidwgugl-Haus punkten, dem “ersten begehbaren Wahlprogramm” in Form einer temporären Ausstellung mit Bühne in einem ehemaligen Kaufhaus in Berlin-Mitte. Neben der verschiedenen datengetriebenen Wahlkampf-Apps der Parteien ist das begehbare Wahlprogramm die spannendste Marketing-Innovation in diesem Jahr gewesen.

Aber auch das #fedidwgugl-Haus war letztendlich nicht mehr als ein potemkinsches Wahlprogramm. Der Wahlkampfmanager Frank Stauss beschrieb den intellektuellen Anspruch des Wahlkampfes treffend:

“Keiner Partei ist es gelungen, eine stimmige Zukunftsvision zu präsentieren. Einen großen Wurf, der über die Aneinanderreihung von Einzelthemen hinausgegangen wäre. Wenn die Parteien alle die gleiche sicherheitsfixierte Politik machen und sich von links bis rechts nichts trauen, dann haben wir eben die viel beschworene Alternativlosigkeit.”

Klar, die Aneinanderreihung von Einzelthemen ergibt sich leider aus der Art und Weise, wie Wahlprogramme gemacht werden (müssen) in einer Koalitions-Demokratie. Aber sie elektrisieren eben auch nicht die Wähler, wenn sie nicht in Aufmerksamkeit erregende Slogans gegossen werden. Und hier gab es wenig zu Bestaunen in diesem Wahlkampf.

SPD nähert sich inhaltlich und prozentual an Linke an

Die Amtsinhaberin mag noch den Erfolg für sich sprechen lassen und deswegen mit einem wenig aussagekräftigen Claim auskommen, für den Herausforderer ist das zu wenig.

Und so nähern sich die Sozialdemokraten nicht nur inhaltlich, sondern auch prozentual langsam der Linkspartei an. Der tatsächlich Ausgang der Wahl zeigt sich nicht heute Abend, sondern erst im Laufe der kommenden Wochen. Die Koalitionsfrage wird der alten und neuen Kanzlerin viel politisches Geschick abverlangen damit am Ende nicht – wie Marc Etzold in die Wirtschaftswoche fürchtet – eine gelähmte Republik steht.

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Foto: SPD Schleswig Holstein, Lizenz: CC BY 2.0

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