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Maschinenraum #10: Angst vor Islamisierung, wunderbare Welt der Parteitage und mehr

Maschinenraum #10: Angst vor Islamisierung, wunderbare Welt der Parteitage und mehr

Ich hoffe, ihr seid gut ins neue Jahr gekommen! 2016 verspricht – nicht nur wegen der anstehenden Landtagswahlen – ein ereignisreiches Jahr zu werden und dieser Newsletter wird wie gewohnt die wichtigsten Themen verfolgen, das Wesentliche vom Unwesentlichen trennen und euch mit erkenntnisreichen Leseempfehlungen zu versorgen.

#islamisierung

Im Angesicht der Flüchtlingskrise schüren Konservative und Rechtspopulisten die Furcht vor einer Islamisierung unserer Gesellschaft. “Fearmongers pose a serious threat to the openness and tolerance that Western societies take for granted”, schreibt der Economist mit Blick auf Donald Trump, Marine Le Pen und Viktor Orban. Und weiter: “The way to defeat Islamist terroism is to enlist the help of Muslims, not to treat them as hostile.”

Ähnlich formuliert es der amerikanische Journalist Fareed Zakaria: Trumps Rhetorik “forces people who want to assimilate, who see themselves as having multiple identities, into a single box. The effects of his rhetoric have already poisoned the atmosphere.”

Ich denke, dass die Angst vor Islamisierung zugleich Ausdruck von Selbstzweifeln an der Attraktivität der eigenen Gesellschaft ist. Denn warum sollten Muslime die Vorteile einer offenen und demokratischen Gesellschaft nicht genau so schätzen wie wir? Religiöse Isolation sei, so der Soziologe Armin Nassehi, Ausdruck einer misslungenen Integration: “Wir wissen aus der Forschung, dass religiöse Segregation (…) immer eine Folge von Desintegration ist. Religion wird als Ressource verwendet, wenn die Dinge nicht gut funktionieren.”

Für das neue Jahr wünsche ich mir mehr Selbstvertrauen in die Attraktivität unserer eigenen Gesellschaft – dann “schaffen wir” auch die Mammut-Aufgabe der Integration. Noch sind wir nicht die neue “can-do nation”, wie die New York Times kurz vor Weihnachten begeistert schrieb. Aber wir können es werden. The Economist, Washington Post, danielflorian.de, Der Standard, New York Times

#transatlanticdatawar

Die Zeitschrift Foreign Affairs beschreibt in einem spannenden Aufsatz, wie die Vereinigten Staaten die Abhängigkeit der Weltwirtschaft vom US-Dollar und einigen der großen Technologiekonzerne zunehmend dafür nutzen, ihre eigenen politischen Interessen zu verfolgen: “Rather than spread U.S. norms and preferences through indirect market mechanisms, the United States has directly harnessed the coercive might of its markets and information networks to achieve its own security and foreign policy goals.”

Dabei – Stichwort NSA – schreckten die USA nicht einmal davor zurück, diese Instrumente auch gegen ihre Verbündeten einzusetzen. Diese Strategie, so die Autoren des Aufsatzes, fällt nun selbst auf die USA zurück. Mit dem Safe-Harbor-Urteil habe der Europäische Strafgerichtshof die Vereinigten Staaten mit ihren eigenen Waffen geschlagen. Und das ist nur der Anfang: in der EU sind derzeit eine Reihe von Wettbewerbsverfahren anhängig, die sich überwiegend gegen amerikanische Firmen wenden.

Wenn die Vereinigten Staaten auch weiterhin unilateral ihre Sicherheitsinteressen durchsetzen, werden amerikanische Firmen unter der Gegenreaktion leiden, so die Prognose der Autoren. Oder die USA erkennen das Interesse der Europäer an ihrer Privatsphäre an und arbeiten gemeinsam mit der EU an transatlantischen Regeln für den Schutz von Privatsphäre im Internet.

Ein paar exzellente Ideen, wie genau eine neue Balance von Sicherheit und Datenschutz aussehen könnte haben der German Marshall Fund of the United States und die Stiftung Neue Verantwortung vor kurzem vorgestellt. Ein äußerst lesenswertes Papier! Foreign Affairs, Politico, GMFUS

#parteitagsmarathon

Kurz vor Weihnachten fand auch der Parteitagsmarathon von SPD und CDU statt. Fazit: Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Eigentlich sollte der SPD-Parteitag Geschlossenheit und den Willen zur Macht zeigen, während der CDU-Parteitag schon als Abrechnung mit Angela Merkel gehandelt wurde. Es kam genau anders herum.

Sicherlich auch vor dem Eindruck des (offensichtlich immerhin nicht geplanten) Debakels auf dem SPD-Parteitag bliesen die CDU-Rechten die Attacke auf Merkel ab und stärkten ihr stattdessen den Rücken, um den Eindruck einer zerstrittenen Partei zu vermeiden. So konnte Merkel ihren umstrittenen Kurs nicht nur verteidigen, sondern sogar tief in der CDU verankern. “So geht Führung”, fasste die Süddeutsche Zeitung den Triumph der Kanzlerin zusammen.

Anders sieht das der Cicero. Ein Mangel an schnellen Erfolgen bei der Lösung der Flüchtlingskrise könne Merkel in diesem Jahr zu Fall bringen, schreibt das Magazin und erinnert an den Sturz von Konrad Adenauer und Ludwig Erhard durch eine unzufriedene Parteibasis.

Ich halte das für wenig wahrscheinlich. Denn zusammen mit ihrem Generalsekretär Peter Tauber hat Merkel ihre Partei inzwischen grundlegend modernisiert und für die Mitte geöffnet. Die CDU, die sich der Cicero wünscht, gibt es nicht mehr. Süddeutsche Zeitung, Cicero, danielflorian.de


Was meint ihr? Gelingt es Angela Merkel, ihre Kritiker in den eigenen Reihen dauerhaft zu befrieden? Oder bleibt die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin eine offene Flanke, die in den kommenden ein oder zwei Jahren zu ihrem Sturz führen könnten?

Ich freue mich auf Eure Prognosen und Meinungen per E-Mail, in den Kommentaren auf meiner Webseite oder über Facebook, Linkedin und XING.

Diese Ausgabe des Maschinenraum erschien am 1. November 2015. Wenn Sie den Maschinenraum in Zukunft automatisch per E-Mail zugestellt bekommen möchten, können Sie den Newsletter hier abonnieren.

Foto: AwayWeGo201, Lizenz: CC BY 2.0

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