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Deutschlandfunk: Auf dem Weg in die PR-Republik?

Deutschlandfunk: Auf dem Weg in die PR-Republik?

“Manipulation statt Information – sind wir auf dem Weg zur PR-Republik?” So lautet der Titel einer Reportage des Deutschlandfunk, die derzeit Wellen im Internet schlägt. Die Fronten sind klar umrissen: hier der gute Journalismus, dort die propagandistische PR.

Unternehmenskommunikatoren würden dieser These mit Sicherheit nicht zustimmen. Die Deutungshoheit über viele wirtschafts- und gesellschaftspolitische Themen liegt aus der Sicht vieler PR-Menschen längst bei Medien und schlachterprobten, finanzstarken Nichtregierungsorganisationen.

Verschwörung von Lügenpresse und Lügenwissenschaft

Auch die Wissenschaft bietet keine Orientierungshilfe mehr. FAZ-Redakteur Joachim Müller-Jung ist anlässlich der massiven Anti-Gentechnik-Demonstrationen zur Grünen Woche überzeugt, dass viele Gentechnik-Gegner die freie Wissenschaft mittlerweile als festen Teil einer Verschwörung betrachten: “Eine Verschwörung der Großkopferten gegen das Volk, eine der Mächtigen gegen ihre Bürger und eben eine Verschwörung der Wissenschaft gegen die selbstgebastelte Wahrheit der Protestler.”

Und der amerikanische Journalist Mosés Náim beschreibt in seinem Buch “The End of Power” den Kontrollverlust von Politik und Konzernen, die die Moderne bisher geprägt haben.  Statt dessen betreten “Mikromächte” wie Protestbewegungen (Pegida), Terrormilizen (IS) oder Aktivisten (Edward Snowden) die Weltbühne und bringen die etablierte Ordnung durcheinander. Ihr Einfluss ist jedoch vor allem destruktiver Natur – eine neue Ordnung schaffen sie selten. Kurz: die Welt ist heute komplexer als jemals zuvor.

Zeitungen werden zu Prospekten für Bildungsbürger

Auch die Medien sehen sich diesen destruktiven Mächten ausgesetzt. Ihr Geschäftsmodell, das auf dem Verkauf von (Klein-) Anzeigen und Abos beruht, bietet heute keine ökonomische Grundlage mehr.

Die Sparprogramme der Medienhäuser werden auch in den Kommunikationsabteilungen der Unternehmen registriert. Immer seltener haben sie mit Journalisten zu tun, die die Zeit haben, sich intensiv mit einem Thema zu befassen und ein Problem wirklich zu verstehen. Dazu kommt der Druck, schnelle Schlagzeilen zu produzieren, selbst wenn man weiß, dass dahinter nicht viel mehr als heiße Luft steckt. Der Bildblog kennt hunderte solcher Geschichten.

Kein Wunder also, wenn Unternehmen und Verbände wie der Gesamtverband der Versicherungswirtschaft (GDV) inzwischen lieber eigene Newsrooms und eigene redaktionelle Plattformen aufbauen. Oft ist dies weniger der Versuch einer Manipulation der Öffentlichkeit als eine defensive Strategie. Umgekehrt diversifizieren viele Medienunternehmen ihr Geschäft ebenfalls und bieten DVD-Sammlungen, Reisen oder Weinpakete unter ihrem Namen an. Aus der Informationsquelle Zeitung wird so ein Prospekt für gut situierte Bildungsbürger.

PR ersetzt Medien nicht, sondern ergänzt sie

Axel Kleinlein vom Bund der Versicherten sieht die Kommunikationsoffensive des GDV naturgemäß kritisch. Im Deutschlandfunk äußert er seine Sorge, dass investigative Recherchen wie die Aufdeckung des Lustreise-Skandals der Ergo in Zukunft nicht mehr finanziert werden könnten.

Aber was hält den Bund der Versicherten davon ab, einen eigenen Fonds aufzulegen um genau diese Recherchen zu unterstützen? Die Hyper-Transparenz des Internet-Zeitalters und wachsame Compliance-Abteilungen machen es für Unternehmen heute ohnehin fast unmöglich, Fehlverhalten unter den Teppich zu kehren. Wer Wert auf seine Reputation legt, verzichtet von vornherein auf incentives wie Bordellbesuche oder Luxusreisen.

In seinem 1928 erschienenen Buch “Propaganda” beschreibt der oft als “Gründer der PR” titulierten Edward Bernays, dass sich Unternehmen in einem konstanten Wettbewerb um die Gunst der Öffentlichkeit befinden. PR-Beraters haben deswegen eine wichtige Funktion für Unternehmen, aber auch für die Öffentlichkeit:

The counsel on public relations must maintain constant vigilance, because inadequate information, or false information from unknown sources, may have results of enormous importance. A single false rumor at a critical moment may drive down the price of a corporation’s stock, causing a loss of millions to stockholders. (…) The counsel on public relations must be in a position to deal effectively with rumors and suspicions, attempting to stop them at their source, counteracting them promptly with correct or more complete information through channels which will be most effective, or best of all establishing such relations of confidence in the concern’s integrity that rumors and suspicions will have no opportunity to take root.

Für Bernays schließt PR also eine Lücke, die klassische Medien nicht bedienen wird. Gute Unternehmenskommunikation ersetzt keine Medien, sondern ergänzt sie.

Vor einer drohenden “PR-Republik” muss sich also niemand fürchten. In einer von “Mikromächten”, Whistleblowern und Aktivisten geprägten Welt ist eine totale Kontrolle der öffentlichen Meinung eine Schimäre – zum Glück. Das größte Problem der Medien sind nicht Heerscharen von PR-Leuten, sondern die Digitalisierung ihres Geschäfts und eine immer fragmentiertere und skeptischere Öffentlichkeit (letzteres ist auch eine Herausforderung für Unternehmenskommunikation).

In dieser Welt haben sowohl PR als auch die Medien ihren berechtigen Platz und die “Fronten” sind weit weniger klar als der Deutschlandfunk suggeriert.

[Tweet “Gute Unternehmenskommunikation ersetzt keine Medien, sondern ergänzt sie.”]

Dieser Artikel ist am 2. Februar 2015 auch in der Huffington Post Deutschland erschienen.

Foto: Niuton, Lizenz: CC BY 2.0

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