“Into the Kiez: Gefahrengebiet Lokaljournalismus” hieß das durchaus spannende, von Ole Reißmann (Spiegel Online) moderierte Panel auf der re:publica 14 über den neuen Trend des “Kiezjournalismus”, der durch Onlinemedien wie die Prenzlauer Berg Nachrichten oder Florakiez.de repräsentiert wird (Video, 58.20 Minuten). Nur eine Frage wurde nicht ausreichend debattiert: wozu ist guter Lokaljournalismus eigentlich da?
Eine Publikumsfrage hat meiner Meinung nach auf den Punkt gebracht, was (Lokal-) Journalismus in erster Linie sein sollte: ein Dienst an der Gesellschaft. Aber wer soll diesen Dienst bezahlen, ohne dass das Medium in eine wirtschaftliche Abhängigkeit gerät? Die Meinungen dazu waren naturgemäß so vielfältig wie die verschiedenen Finanzierungsmodelle, die hinter den Plattformen hh-mittendrin.de, taz, Prenzlauer Berg Nachrichten und Florakiez.de stehen.
Kann es ehrenamtlichen Lokaljournalismus geben?
Als Vergleich wurde im Publikum die Feuerwehr herangezogen, die sich in die (ehrenamtliche) Freiwillige Feuerwehr und die Berufsfeuerwehr aufteilt. Und warum sollte es keinen ehrenamtlichen Journalismus geben? Der Vergleich erntete sofort großen Widerspruch auf dem Podium – Arbeit muss bezahlt werden! Ich finde den Vergleich allerdings durchaus passend.
Denn für mich ist guter Lokaljournalismus nicht alleine investigative Recherche (und ich bin noch nicht überzeugt, dass das eine Stärke der neuen Kiezblogs ist), sondern auch Service. Und warum sollte diese Leistung nicht ehrenamtlich erbracht werden können? Schließlich gibt es auch ehrenamtliche Reiseblogger, Foodblogger und Auto-Blogger, die ihr Geld nicht mit Journalismus verdienen, aber trotzdem Spaß am Schreiben haben?
Die Idee, dass nur bezahlter Journalismus unabhängig und seriös ist, ist ohnehin kaum haltbar. Bei einem Praktikum in einer Lokalredaktion vor knapp zehn Jahren wurde ich gebeten, der Beschwerde eines Gastwirtes nachzugehen, weil die Stadtverwaltung einen Poller aufgestellt hatte, der angeblich die Einfahrt auf den Parkplatz des Gasthofs behinderte. Ein Ortstermin führte schnell zu der Feststellung, dass der Poller nur für denjenigen ein Hindernis sein konnte, der ohnehin nach dem Wirtshausbesuch kein Auto mehr fahren sollte.
Bezahlter Journalismus ist nicht automatisch seriöser
Mein entsprechender Einwand wurde von der Chefredaktion zurückgewiesen. Ich solle den Artikel so schreiben wie sich der Wirt das wünschte. Keine Ahnung, ob es sich hier um einen Freundschaftsdienst handelte, in jedem Fall ist meine Meinung über die Zeitung danach stark gesunken. Wirtschaftlich nicht vom Schreiben abhängig zu sein, kann auch Vorteile haben und sollte nicht gleich als “nichtprofessionell” abgetan werden. Auch Axel Springer verdient immer weniger Geld mit klassischem Journalismus.
Klar ist auch: ein Bezirk wie Pankow mit seinen 370.000 Einwohnern kann nicht alleine durch citizen journalists bearbeitet werden. Jeder Lokalblog muss seine eigene Nische finden und sich entscheiden, ob er stärker auf politisch-investigative Berichterstattung oder auf Service-Themen setzen will und dafür die geeigneten Finanzierungsmodelle finden. Das eine Format wird es dabei sicherlich nicht geben. Auch für Lokaljournalismus bleibt nur das diesjährige re:publica-Motto: Into the wild.
Foto: re:publica, Lizenz: CC BY-SA. 2.0