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Werden Euroskeptiker das neue EU-Parlament dominieren?

Werden Euroskeptiker das neue EU-Parlament dominieren?

Prof. Dr. Bernd Lucke (AfD)

Die Euro-Krise und die damit verbundenen Rettungs- und Reformpakete haben zu einem massiven Zugewinn für europaskeptische Parteien in vielen Ländern geführt. In Deutschland hat der Wegfall der Drei-Prozent-Hürde bei der Europawahl die Wahrscheinlichkeit eines Einzugs der euro-kritischen Alternative für Deutschland (AfD) ins Europaparlament erhöht.

Der transnationale Think Tank European Council on Foreign Relations (ECFR) hat in einem aktuellen Policy-Paper nun untersucht, wie groß die Gruppe der Euroskeptiker im EU-Parlament tatsächlich sein könnte – und welchen Einfluss die Parteien hätten. Insgesamt – so schätzen die Autoren – könnten euroskeptische Parteien bis zu 198 Sitze im EU-Parlament erstreiten. Das entspricht etwas über 26 Prozent der Abgeordneten.

Die Gruppe der Euroskeptiker ist groß

Allerdings haben die Autoren die Gruppe der Euroskeptiker extrem weit gefasst: sie reicht von rechtsextremen Parteien wie der griechischen Morgenröte bis zu deutschen Partei Die Linke. Für diese Parteien ist Euroskepsis zwar der kleinste gemeinsame Nenner, aber noch lange kein gemeinsames Programm. Insgesamt unterscheidet das Policy Paper vier verschiedene Gruppen von Euroskeptikern:

  1. Rechtsradikale Parteien wie die französische Front National und die griechische Morgenröte
  2. Rechtspopulistische Parteien wie die britische UKIP und die deutsche AfD
  3. Konservative Parteien wie die britischen Tories und
  4. linke Parteien wie die griechische Syriza und die deutsche Die Linke

Die großen Unterschiede in den politischen Zielen der vier Gruppen machen eine konzertierte Aktion der Euroskeptiker, wie sie etwa Marine Le Pen und Gert Wilders vorschwebt, unwahrscheinlich. Ignorieren darf man sie allerdings auch nicht, wie der ECFR schreibt. Die Euroskeptiker können die Vereidigung einzelner EU-Kommissare blockieren, die Legitimität des EU-Parlaments durch schrille Redebeiträge untergraben und – nicht zuletzt – auch dafür sorgen, dass die politische Stimmung innerhalb der EU-Mitgliedsstaaten euroskeptischer wird.

Insgesamt dürfte der Stimmenzuwachs der Anti-Europäer zu einer Stärkung der informellen “Großen Koalition” aus der Europäischen Volkspartei (EVP) und der Sozialdemokatischen Partei Europas (SPE) führen (dies ist aber ohnehin bereits die Regel, wie ich an anderer Stelle beschrieben habe). Für die Bürger könnte so der Eindruck eines “europäischen Kartells” entstehen, bei dem sich die etablierten Parteien zusammentun, um das Elitenprojekt Europa gegen den Willen der Bürger durchzusetzen.

Einen Keil zwischen die Euroskeptiker treiben

Um dieser Gefahr zu begegnen, fordert der ECFR eine Öffnung der politischen Debatte auch innerhalb der Volksparteien. Denn ein großer Teil der Kritik euroskeptischer Parteien habe einen wahren Kern, wie zum Beispiel die Unpopularität der europäischen Immigrationsregeln und das demokratische Defizit durch die von der Troika diktierten Reformprogramme.

Die Autoren der ECFR-Studie schreiben:

Die Herausforderung liegt darin, einen Keil zwischen die Euroskeptiker zu treiben anstatt sie zur Bildung eines anti-elitären Blocks zu ermuntern. Dafür müssen die Volksparteien die Kritik der Euroskeptiker an Europa zur Kenntnis nehmen und zugleich deren Lösungsvorschläge ablehnen. (…) Wenn Europa die Euroskeptiker besiegen will, muss ihnen auch in den Mitgliedsstaaten begegnet werden wo sie eine stärkere Stimme haben.

Das gleicht einem Vorschlag, den ich selber kürzlich zur Reform der EU-Wahlgesetzgebung gemacht habe, um die Legitimität der EU zu stärken. Es muss klar werden, dass die Wahlen zum Bundestag nicht etwas völlig anderes sind als die Wahlen zum EU-Parlament. Beide Parlamente vertreten unsere Interessen. Eine gewisse vornehme Distanz zu Brüssel ist aber leider auch in Deutschland immer noch ein “vote winner”.

wahl.deDieser Blogpost ist zuerst bei wahl.de erschienen, dem Politikblog zur Europawahl 2014 von compuccino.

Foto: blu-new.org, Lizenz: CC BY-SA 2.0

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