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Reputationsrisiko Steuererklärung

Reputationsrisiko Steuererklärung

Arbeitsteilung in grossen Unternehmen ist eine feine Sache: die Beschaffungsabteilung kümmert sich um Rohstoffe und Zulieferer, die Investor Relations um Aktionäre und Anteileigner, die Kommunikation um Kunden und Stakeholder und die Finanzabteilung um die Steuern.

Dass diese Form der Segmentierung für die Wahrnehmung eines Unternehmens auch enorme Risiken bergen kann, mussten eine Reihe von Konzernen in den letzten Wochem  auf leidvolle Art und Weise erfahren.

In Großbritannien stehen die Kaffeehauskette Starbucks, der Onlinehändler Amazon und die Suchmaschine Google am Pranger, nachdem herauskam, dass die Unternehmen kaum Steuern im Vereinigten Königreich zahlen. Fast 150 – zumeist kritische – Kommentare finden sich unter einem erklärenden Blogpost von Starbucks UK – der Vorwurf der Lüge ist noch einer der harmloseren in den Kommentaren.

Auch in Kontinentaleuropa steht das Steuergebaren  multinationaler  Unternehmen im kritischen Licht der Öffentlichkeit. Mit Steuertricks wie dem “Doule Irish” oder dem “Dutch Sandwich” sparen Firmen Millionen an Steuern. Was für normale Bürger klingt wie der Name eines Gewinner-Blatts beim Poker ist zwar in der Tat bares Geld wert, kostet den Unternehmen allerdings viel Reputation.

Vor dem Hintergrund der tristen Wirtschaftslage in Europa, leerer öffentlicher Kassen und den Austeritätsprogrammen in vielen Mitgliedsstaaten erscheinen Konzerne wie Amazon, Google, oder Daimler  in den Augen vieler Kommentatoren als “Krisengewinnler”. Bis zu 60 Milliarden Dollar verlieren die Mitgliedstaaten pro Jahr durch Steuertricks, glaubt die EU Kommission und will nun gegen Steueroasen – auch innerhalb der EU – vorgehen.

Reputationsrisiken lauern allerdings nicht nur in der Steuererklärung, sondern auch in Lieferketten, bei Kunden, bei der Incentivierung von Mitarbeitern, bei Sponsorverträgen, Geschäftspartnern oder Investoren.

Der Bundesligaverein Werder Bremen zum Beispiel zog erst vor kurzem den Unmut der Fans auf sich,  als er einen Sponsoringvertrag mit dem umstrittenen Geflügelhersteller Wiesenhof unterschrieb. Auch die Kunden des Öko-Versands Hess Natur wandten  sich gegen das Unternehmen, als die Firma an einen Finanzinvestor verkauft wurde, der in den Augen der Kunden nicht zur Unternehmensphilosophie passte.

Dass Lieferketten hohe Reputationsrisiken bergen ist inzwischen kein Geheimnis mehr. Bekannt geworden ist unter anderem die Greenpeace-Kampagne gegen die Verwendung von Palmöl in Süßwaren wie KitKat oder die negativen Schlagzeilen um den Elektronikhersteller  Foxconn, der Firmen wie Apple, Saturn und Mediamarkt beliefert.

Traurige Berühmtheit erlangte auch die Incentive-Reise des Versicherers Ergo, der seine besten Vertreter zu einer Luxusreise nach Budapest einlud – inklusive bezahltem Flatrate-Sex mit ungarischen Escort-Mädchen. Die Aktionäre waren “not amused” und auch die Kunden werden sich gefragt haben, ob ihr Geld bei einer Firma gut angelegt ist, die ihre Mitarbeiter mit Besuchen im Luxus-Bordell entlohnt.

Manchmal stehen auch die Kunden eines Unternehmens im Licht der kritischen Öffentlichkeit. Als bekannte wurde, dass die Rüstungsfirma KraussMaffei Wegmann ein Waffengeschäft mit der Regierung von Saudi-Arabien abschließen wollte, setzten die Aktionskünstler des “Zentrums für politische Schönheit” ein “Kopfgeld” auf die Aktionäre des Konzerns aus. Und weil Waffenhandel selbst nicht strafbar ist, wurde derjenige mit bis zu 25.000 Euro belohnt, der den Anlegern andere Verbrechern wie zum Beispiel Steuerhinterziehung nachweisen konnte.

Diese Beispiele zeigen, wie stark die Reputation von Unternehmen heutzutage von Faktoren abhängig ist, die jenseits des Einflussbereichs der klassischen Kommunikationsdisziplinen Marketing und Public Relations liegen. Je stärker Unternehmen heute mit gesellschaftlichen Werten aufgeladen werden, desto höher steigen auch die Ansprüche von Kunden an das Geschäftsgebahren der Firmen.

Und weil immer grössere Transparenz herrscht oder durch Berichtspflichten sogar verbindlicher Teil der Corporate Governance ist, müssen sich Unternehmen darauf einstellen, dass immer mehr Aktivitäten einer kritischen Überprüfung durch NGOs und Öffentlichkeit unterzogen werden.

Public Affairs werden damit zum integralen Teil des Unternehmens. Und da in der heutigen Medienwelt auch Dinge zum Politikum werden können, die nicht aus dem Regulierungsbereich kommen, sollte jedes Unternehmen seine gesamten Geschäftsbereiche einem regelmäßigem Audit unterziehen um Reputationsrisiken frühzeitig zu entdecken und entsprechend gegenzusteuern. Die Realität holt ein Unternehmen sonst schneller ein als gedacht.

Foto: Uggboy, Lizenz: CC BY 2.0

Anmerkung: Dieser Blogpost ist zuerst am 21. November 2012 bei berlin+ erschienen, dem Politikblog der Public-Affairs-Bratung g+ germany. Wenn Sie berlin+ abonnieren und regelmäßig E-Mails mit aktuellen Beiträgen zur deutschen und europäischen Politik und Wirtschaft bekommen wollen klicken Sie bitte hier.

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