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Kurt Beck ohne Strategie

Kurt Beck ohne Strategie

Fast zehn Jahre nach dem 40-Prozent-Wahlsieg von Gerhard Schröder 1998 ist die SPD keinen Schritt weiter, im Gegenteil: Kurt Becks taktische Spiele haben die Sozialdemokraten kräftig zurückgeworfen.

Das Kalkül Becks, mit einem Schwenk nach Links den Aufstieg der Linkspartei aufzuhalten, ist fundamental gescheitert, wie auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung kritisch bemerkte:

nun steht fest, dass Becks verlustreicher Machtkampf mit Müntefering der SPD nichts gebracht hat: Weder ist ihm der Nachweis gelungen, dass mit “linker” Politik die Linkspartei aus den Landtagen herausgehalten werden könne, noch hat er seine Partei in einem der drei Länder, welche die Probe aufs Exempel sein sollten, an die Macht gebracht. Sein verzweifelter Versuch, es in Hessen doch noch zu schaffen, stellt die SPD vor die fatale Wahl, sich zwischen ihrem Vorsitzenden und ihrer Glaubwürdigkeit zu entscheiden.

Dies ist das Paradox der Sozialdemokraten: zwar hat sich die Zahl der potentiellen Koalitionspartner erhöht, die Bildung einer stabilen Regierung ist dadurch aber erschwert worden. Ist Becks Flirt mit der Linken unter diesen Umständen die richtige Reaktion? Nein, denn nicht nur die Große Koalition, sondern auch das “Breilibü” (“breites Linksbündnis”) ist keine Liebeshochzeit. Becks rücksichtsloses Hin- und Her (erst: Ypsilanti könnte sich von den Linken wählen lassen, dann: über Landesregierungen entscheiden die Landesparteien) hat der Partei mehr geschadet als genutzt. Dass es nach der Hamburg-Wahl nicht zur offenen Kritik an Beck kam, lag einzig daran, dass Beck am vergangenen Montag krank war und an dem Treffen der SPD-Spitzenleute nicht teilgenommen hat.

Es stimmt aber auch, dass ein schlichtes “Njet” ebenso schädlich ist. Schließlich reicht es nicht für Rot-Grün, und Rot-Gelb geht nicht. Der SPD kann es aber langfristig nicht reichen, lediglich der “gefühlte Gewinner” einer Wahl zu sein, es müssen auch tatsächlich Mehrheiten gewonnen werden können.

Die Linke hat den Einzug in drei westdeutsche Landesparlamente geschafft. Sie wird auf absehbare Zeit ein Faktor der deutschen Politik bleiben. Die SPD muss sich deswegen – ob sie will oder nicht – mit der Frage auseinandersetzen, wie sie mit der Linken umgehen will. Drei Elemente sind dafür zentral: Entzauberung der linken Argumente, klare Kriterien für eine Zusammenarbeit und die Zurückgewinnung von Wählern.

  1. Besser als die SPD hat Angela Merkel die Faszination der Linken erkannt: Die Linke habe auf die Ängste der Menschen zwar falsche Antworten, aber “deshalb ist das Sicherheitsbedürfnis der Menschen ja nicht falsch.” Die richtigen Antworten zu geben, ist Aufgabe der SPD. Gordon Brown hat die Herausforderung an die progressive Linken klar umrissen: es gehe darum, nationale Politik für eine globalisierte Welt zu machen. Dies muss auch der Ansatz der SPD sein.
  2. Die Linkspartei umfasst sowohl ehemalige SPD-Mitglieder, Gewerkschafter und andere ehemalige Kernwählergruppen der SPD als auch ehemalige SED-Kader und Kommunisten wie die inzwischen aus der niedersächsischen Fraktion ausgeschlossen Christel Wegner. Die rot-rote Koalition in Berlin zeigt aber, dass die Zusammenarbeit mit der Linken auch erfolgreich sein kann. Die SPD sollte daher genaue Kriterien für eine Zusammenarbeit mit der Linken aufstellen und nur dann eine Koalition anstreben, wenn diese Kriterien auch zutreffen.
  3. Zu guter Letzt muss es das Ziel der SPD sein, ihre ehemaligen Wähler wieder zurückzugewinnen und die Linke wieder unter die Fünf-Prozent-Hürde zu drücken. Dazu benötigt sie ein klares wirtschafts- und sozialpolitisches Profil, das dem Sicherheitsbedürfnis der Wähler wie auch den Anforderungen der Globalisierung genügt. Sie benötigt ein soziales Netzwerk, das ihr eine Anbindung an die Basis verschafft. Und sie benötigt einen charismatischen Parteivorsitzenden. An allem fehlt es ihr derzeit.

Becks Versuchsballon ist grandios gescheitert – und damit auch seine Chancen auf die Kanzlerkandidatur. Wie war das nochmal? Auf der Landesebene könne man vielleicht ja mit der Linken, auf Bundesebene aber nicht? Oder Tolerieren ja, Koalieren nein? Genau das ist das Problem: Beck ist nicht mehr glaubwürdig.

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View Comments (2)
  • Wenn es nicht so traurig wäre, würde ich lachen. So aber schreie ich nur noch. Die weisen Männer aus Berlin versuchen, das hessische Wahlergebnis nicht zur Kenntnis zu nehmen. Und das lautstark. Koalitionen sind nie Liebesheiraten. Kurt Beck wird Kanzlerkandidat, weil die anderen sich zur Zeit völlig ins Abseits manövrieren. Und das ist gut so. Wenn Steinbrück und Freunde die Ziele der SPD bestimmen würden, wäre meine Mitgliedschaft nach über 37 Jahren sehr plötzlich beendet. So bleibt mir eben immer noch Hoffnung.
    Karin Holzer

  • Unser Vizekanzler Steinbrück betont: keine Personen-Diskussionen, zurück zu Sachthemen, wie auch das Verhältnis zur Linken. Wir, die SPD, sind die Partei der Mitte! Vielleicht hat Steinbrück noch nicht bemerkt, daß die Mitte immer kleiner wird, dass einige den Anschluß an die Vielverdiener geschafft haben, aber die große Mehrheit die SOGENANNTE MITTE verlassen haben, bedingt durch Zeitverträge, Verlagerung von Unternehmen ins Ausland, Mindestlöhne, Reduzierung der Kaufkraft der Rentner. Ein Großteil dieser Wähler werden aus Protest Die Linke wählen, nicht aus Überzeugung, sondern um der SPD einen Denkzettel zu verpassen, da sie die derzeitige Situation als Mitglied der Regierung mit zu verantworten hat. Zu den Sachthemen: die Entkoppelung des Gaspreises vom Ölpreis ist ein interessantes Thema, aber es ist wohl zu heiß für die SPD, sich mit den Energie-Konzernen anzulegen??

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