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It’s the spin, stupid!

It’s the spin, stupid!

Für viele ist Alastair Campbell das Sinnbild des sinistren, die Medien manipulierenden Spin-Doktors. Von 1994 bis 2003 war Campbell einer der engsten Mitarbeiter von Tony Blair, seit 1997 auch Regierungssprecher. In dieser Funktion war er wesentlich für den Erfolg von Blairs “New-Labour-Projekt” verantwortlich, allerdings zog er auch viel Kritik auf sich. Insbesondere im Zusammenhang mit dem Irak-Dossier der britischen Regierung, das er im Februar 2003 vorstellte, wurde ihm vorgeworfen, die Fakten aufgebauscht (“sexed up”) zu haben. Die Kontroverse um das Irak-Dossier führte zu einem tiefen Streit zwischen der BBC und der britischen Regierung und letztlich auch zum Tod eines Angestellten des britischen Verteidigungsministeriums, der von der BBC als Quelle genannt wurde.

In Campbells Tagebuch “The Blair Years” geht es allerdings (und zum Glück) nicht nur um den Irak, sondern auch um andere Themen. Der Nordirland-Konflikt (der in Deutschland kaum wahrgenommen wurde) spielt ebenfalls eine große Rolle, wie auch der Tod von Prinzessin Diana, die Beziehungen zu den USA – und die Frage, wie Tony Blair in Shorts aussieht. Vor allen Dingen Bill Clinton spielt eine wichtige Rolle. Interessant ist aber auch, welche Themen nicht so prominent behandelt werden: Die EU-Gipfel erinnern in der Beschreibung Campbells häufig eher an das Hauen und Stechen während eines Weihnachtsbesuchs der Familie, und der Wahlsieg Gerhard Schröders wie auch sein “Dritter Weg” werden jenseits des Kanals ebenfalls nur am Rande wahrgenommen.

Vor allen Dingen geht es aber darum, wie Politik und Medien im 21. Jahrhundert funktionieren. Die Überallverfügbarkeit der Medien setzt Politik und Medien gleichermaßen unter Druck. Politiker werden hoch- oder runtergeschrieben und die Medien unterliegen einem ständigen Veröffentlichungsdruck auf Kosten der Qualität: “we have more media coverage than ever, but less understanding of real debate”, schreibt Campbell in seiner Einleitung.

Natürlich: ein Spin-Doktor muss so etwas sagen, aber andererseits finde ich es bezeichnend, dass gerade ehemalige Journalisten, die auf die Sprecher-Seite wechseln (Campbell arbeitete zuvor beim Daily Mirror und bei der Boulevardzeitung Today), extrem kritisch gegenüber ihren früheren Kollegen sind und mit wieviel Zynismus sie das Mediengeschäft beschreiben.

Campbell selber kritisiert vor allen Dingen die Tendenz der britischen Medien, selbst Erfolge zu kritisieren. Auch in Deutschland und Kontinentaleuropa werde diese Art der Berichterstattung zunehmen, prophezeite er 2006 auf dem “Politikkongress” in Berlin. Und auch ich habe 2005 kritisiert, wie Redakteure mit suggestivem Journalismus versuchen, Wahlkämpfe zu beeinflussen.

Ein weiterer roter Faden, der sich durch das ganze Buch zieht, ist die ständige Versuchung, den Job an den Nagel zu hängen. Zwischen Presse, Parteifreunden und Opposition bleibt keine Zeit mehr für Privatleben. Campbell – der eigentlich nicht als “Blairite”, sondern als eher traditioneller Labour-Anhänger gilt – sieht sich darüber hinaus auch in einem persönlichen Konflikt. Aufgrund seines Jobs übernimmt er Blairs Positionen zu 100 Prozent, was ihm Streit mit seinen engsten Freunden und seiner Frau Fiona Millar (einer Beraterin von Cherie Blair) einbringt.

Für Polit- und Medien-Junkies ist “The Blair Years” eine interessante und lehrreiche – wenn auch ein wenig zu lang geratene – Lektüre. Und Gratis-Tipps von Bill Clinton gibt es auch: “There is no point in saying what you have done, keep saying what you are going to do”. Das sollte er lieber auch seiner Frau erzählen – im US-Vorwahlkampf kann sie diesen Tipp gut gebrauchen. Erfahrung ist eben nicht alles.

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